38-jährige Pflegemutter wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu acht Jahren Haft verurteilt. Ihre Verteidiger kündigten an, Revision einzulegen.

Sie steht da und malmt. Steht in ihrem rosefarbenen Rolli in der Anklagebank, unscheinbar wie immer, und traktiert das Kaugummi in ihrem Mund. Wahre Schwerstarbeit verlangt sie ihren Kieferknochen ab. Hoch und runter bewegen die sich unter ihren Wangen in atemberaubendem Tempo, mit unbändiger Kraft. Und am Ende, nach der eineinhalbstündigen Urteilsbegründung, stürmt Kaja G. aus dem Saal, rennt sie gar ihren Verteidigern davon.

19 Verhandlungstage waren das vor dem Wuppertaler Landgericht. Ein langer Prozess, an dessen Ende Stefan Istel, der Vorsitzende Richter, Kaja G. zu acht Jahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Misschandlung einer Schutzbefohlenen verurteilt. Ein langer Prozess und auch ein mühseliger. „Wir haben viel Aufwand getrieben, aber das sind wir dem Kind schuldig. Wer die Fotos des misshandelten und vom Todeskampf erschöpften Kindes sieht, wird sie nie mehr vergessen”, erklärt Istel.

Kaja G. hat nie ein Geständnis abgelegt

Auch Istel wirkt angespannt nach der morgendlichen Beratung über das Urteil. Registriert die kleinste Unruhe im Saal, fühlt sich schnell gestört und ermahnt. Dabei ist es mucksmäuschenstill im Saal. Zuschauer wie Journalisten, die Prozessbeteiligten ohnehin, alle folgen aufmerksam seinen Ausführungen. Wollen wissen, wie Talea starb, warum es nach Ansicht des Gerichts zu der Tat gekommen ist. Schließlich hat Kaja G., die 38-jährige Pflegemutter Taleas, nie ein Geständnis abgelegt, blieb bis zum Schluss im Dunkel, was an dem Todestag des Mädchens, am 18. März 2008, geschah.

Kaja G. hatte ihr Pflegekind Talea wohl schon nach wenigen Wochen als Belastung empfunden. Anfangs noch davon beseelt, dem Kind etwas zu bieten, es zu fördern, habe sie den Betreuungsaufwand neben ihren eigenen zwei Kindern falsch eingeschätzt. Sie sei immer unfreundlicher, immer roher zu der Fünfjährigen gewesen. Das Gericht bezieht sich dabei auf Zeugen, die erzählten, wie heftig Kaja G. die Kleine einmal an beiden Armen geschüttelt habe, als das Kind seine Jacke nicht schnell genug anzog. Taleas Kopf sei hin- und her geflogen. Ein anderes Mal, als das Kind sich eingenässt hatte, ließ sie es trotz Kälte mit feuchter Kleidung draußen. Talea selbst hatte einer Kindergärtnerin von einem Tritt Kajas erzählt.

Das Kind starb völlig unterkühlt

In die Hose gemacht hatte es vermutlich auch am 18. März. Kaya G., so rekonstruiert es das Gericht, sei nach Hause gekommen, nachdem sie ihren Sohn Nils zu Freunden gebracht hatte. Ohnehin sehr angespannt, weil sie die Oster-Einkäufe nicht geschafft hatte, habe sie Talea in kaltes Badewasser gesetzt. Entweder um sie zu waschen oder um sie zu bestrafen. Sie habe dem Kind mindestens 20 Sekunden die Atemwege verschlossen, „bis es zu Bewusstseinseintrübung kam”, so Stefan Istel.

Annehmend, das Kind werde von selbst wieder aus der Wanne klettern, sei Kaja G. danach ins obere Stockwerk gegangen, um dort mit dem Jugendamt zu telefonieren. Als sie nach 29 Minuten ins Bad zurückkehrte, sei Talea, die die ganze Zeit im kalten Wasser lag, nicht mehr ansprechbar gewesen. Kaja G. habe sie aus dem Wasser geholt, verzweifelt versucht, sie zu wärmen, mit einer Decke, einem Fön. Sei schließlich selbst mit dem völlig unterkühlten Kind in die nun mit warmen Wasser gefüllte Badewanne gestiegen. Zu spät. 17.39 Uhr ruft sie den Notarzt. 19.09 stirbt das Mädchen in der Klinik.

Ein tragischer Tod. Die Beziehung von Taleas Eltern war von Gewalt, von Alkohol geprägt. „Doch die Mutter”, so Richter Istel, „hat ihr Kind geliebt, hat eingesehen, dass die Familie Hilfe bedurfte. Durch Taleas Pflegemutter ist es zur Katastrophe gekommen”.

Elf Jahre wegen Totschlages hatte die Staatsanwaltschaft gefordert. Freispruch dagegen die Verteidiger von Kaja G., die gestern ankündigten, Revision einzulegen. „Wir sind davon überzeugt, dass unsere Mandantin die Wahrheit sagt, dass sie nicht schuldig ist”.

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