Essen. Twitter gilt als das spannendste Jung-Unternehmen im Internet, hat riesige Wastumsraten, verdient aber kein Geld. Apple und Co. haben offenbar dennoch Interesse an einer Übernahme.

Berlin und Twitter haben eines gemein. Man könnte sie getrost als „arm aber sexy” bezeichnen. Der Kurzmitteilungsdienst gilt als aufgehender Stern am Internet-Himmel, glänzt mit riesigem Zuwachs, genießt Kultstatus – und verdient kein Geld.

Twittern oft und gern: Ashton Kutcher und Demi Moore. (Foto: afp)
Twittern oft und gern: Ashton Kutcher und Demi Moore. (Foto: afp) © AFP

Der Gerüchteküche mehrerer US-Blogs zufolge stehen die Schwergewichte der Branche dennoch Schlange, um mit Twitter (engl.: Gezwitscher) unter eine Decke zu schlüpfen. Google soll die Internethochzeit angeblich 250 Millionen Dollar wert gewesen sein, Facebook 500 Millionen und Apple sogar 700 Millionen Dollar.

Wie kann Twitter Geld verdienen?

Twitter-Gründer Biz Stone aber hat den milliardenschweren Möchtegern-Bräutigamen jüngst mal wieder einen Korb gegeben. Vorerst will er ein Geschäftsmodell entwickeln, das Profit abwirft. Genau daran haben Experten ihre Zweifel. „Ich sehe derzeit Probleme bei der Monetarisierung des Geschäftsmodells”, sagt Marcus Sander, Analyst bei dem Bankhaus Sal. Oppenheim, über den Dienst, den sogar US-Präsident Barack Obama bereits im Wahrkampf nutzte.

Über die 2006 ins Leben gerufene Kommunikationsplattform können dort angemeldete Nutzer Kurznachrichten (Tweets) mit maximal 140 Zeichen an einen großen Leserkreis verschicken. Dabei kann man die Nachrichten anderer Nutzer bestellen. Die Abonnenten erhalten die Nachrichten auf ihren Computer und in manchen Ländern als SMS auf das Handy. Nicht-Abonnenten können auf der Twitter-Seite nachlesen, was die Person XY verschickt hat.

Notwasserung auf dem Hudson zuerst bei Twitter

So können sich Neuigkeiten in Echtzeit rund um den Globus verteilen. Twitter-Nutzer berichteten Anfang des Jahres als erste über die Notwasserung des US-Airways-Flugzeuges auf dem New Yorker Hudson River – CNN und Co. waren blamiert, weil sie langsamer waren. Danach explodierten die Nutzerzahlen auf Twitter. Nach Berechnungen des Marktforschungsunternehmens Compete zwitscherten im März 14 Millionen Personen in den USA via Twitter – das sind 77 Prozent mehr als im Februar. Im Vergleich zum Vorjahr legte Twitter um 1200 Prozent zu. Inzwischen soll die Firma mit ihren gut zwei Dutzend Mitarbeitern 25 Millionen Nutzer haben, darunter den US-Schauspieler Ashton Kutcher, Britney Spears und Lance Armstrong.

Plappernde Promis

Obwohl immer mehr Zeitungen den Kanal zur Verbreitung von Schlagzeilen nutzen, überwiegt Klatsch und Tratsch auf der Seite. SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel ließ seine Abonnenten unlängst wissen: „Gleich plakatieren im Wahlkreis, dann Bürgerfest besuchen”. Ashton Kutcher stellte unter seinen 1,6 Millionen Abonnenten klar, dass er nicht mehr zu haben ist. „Tschuldigung, ich bin 31 und verheiratet.” Kutcher-Gattin Demi Moore (46) dürfte es mit Genugtuung gelesen haben, die twittert auch.

Sorge beim US-Seuchenzentrum

Das Gezwitscher hat jedoch Schattenseiten: So zeigte der Amoklauf von Winnenden, dass die Seite zur Verbreitung von Gerüchten taugt. Auch das US-Seuchenzentrum CDC beobachtet Twitter mit Argwohn, seit die Schweinepest wütet. „Ich schätze, dass es einen Tweet pro Sekunde zum neuen H1N1-Virus gibt”, sagte Janice Nall von der CDC. Sie befürchtet, dass sich via Twitter lebensgefährliche Gerüchte verselbstständigen könnten.

Dem Zwitscherdienst scheint das nicht zu schaden. Gerade erst hat Twitter bei den Webby Awards den „Internet-Oscar” als bester Online-Aufsteiger des Jahres bekommen. Rund 55 Millionen US-Dollar haben die Twitter-Gründer Jack Dorsey, Biz Stone und Evan Williams für Twitter bislang eingesammelt. Zuletzt wurde der Wert der Firma angeblich auf 250 Millionen US-Dollar taxiert. Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen hält dies für viel zu hoch. Twitters Wert liege im zweistelligen Millionenbereich. „Ich sehe keinen Weg, wie Twitter mittelfristig Geld verdienen kann”, sagt Gerpott im Hinblick auf die erhofften Gewinne in Zukunft. Sollten die Macher Werbung schalten, könne dies die Nutzer rasch vertreiben.

Andere Experten sagen, dass sich Suchmaschinenmarketing als Geschäftsmodell erweisen könnte. So will Twitter mit seiner Suchmaschine künftig einen Teil des Internets durchforsten – und damit Google Konkurrenz machen.

„Die Besitzer sollten Twitter rasch verkaufen”, rät Gerpott. Daran denken die Gründer offenbar nicht. Noch tüfteln sie an „der Schaffung eines unwiderstehlichen Dienstes für Millionen Menschen auf der Welt”, wie Williams es formulierte. Wenn Twitter dann Gewinne abwirft, könnten Stone und Co. womöglich bald jene Mitteilung senden: „Haben Twitter verkauft. Sind stinkreich. Alles Gute. Tschüss!”

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