Essen. Um die Bundesregierung in der Wirtschaftskrise zum Handeln zu zwingen, will der Linken-Parteichef Oskar Lafontaine einen Generalstreik. Die Gewerkschaften winken ab.

Brennen die Barrikaden? Je näher der Arbeiterkampftag 1. Mai rückt, desto düsterer wird es: Die Wirtschaftskrise werde in Deutschland soziale Unruhen gebären, schallt es durchs Land. DGB-Chef Michael Sommer zeichnete dieses Szenario, dann folgte die SPD-Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, Gesine Schwan. Eine Steilvorlage für Oskar Lafontaine, der nun Öl ins Feuer gießt: Sollte die Lage noch schlimmer werden, will er die „den Druck von der Straße” erhöhen.

Der Partei-Chef der Linken fordert die Möglichkeit eines politischen Generalstreiks, wie etwa in Frankreich. „Viele Menschen bei uns sagen, die ,da oben' machen ja doch, was sie wollen”, argumentierte Lafontaine in der „Leipziger Volkszeitung”. Dem müsse auch Widerstand von unten entgegengesetzt werden können, der wirke, sagte Lafontaine. Durch Demonstrationen müsse die Regierung dazugebracht werden, endlich etwas gegen Sozialabbau und Arbeitslosigkeit zu unternehmen.

"Taktiererei vor dem 1. Mai"

Typisch Lafontaine, glaubt Karl-Rudolf Korte, Professor für Politikwissenschaft an der Uni Duisburg-Essen. „Das ist Taktiererei vor dem 1. Mai”, sagte er im Gespräch mit der WAZ. Denn eine Radikalisierung der Straße erhöhe die Chance, dass Populisten und Extremisten eher zugehört werde. „Das ist, was Lafontaine will”.

Juristisch ist Lafontaines Forderung höchst problematisch. Denn legal ist der politische Streik in Deutschland nur dann, wenn er zur Erreichung oder zur Verteidigung der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie eingesetzt wird. „Für die Gewerkschaften steht ein Generalstreik nicht auf der Agenda”, sagte Guntram Schneider, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes in NRW der WAZ. „Unsere Aktion ist der 16. Mai., wenn wir im Rahmen des Europäischen Aktionstages zur Demo in Berlin aufrufen.”

"Vergleich mit DDR-Protesten ist völlig verfehlt"

Lafontaine indes wirbt mit historischen Vergleichen, spricht von der „Tradition in Deutschland, vor der Straße zu warnen”. Denn: „Das sind dieselben, die diejenigen Helden nannten, die in der ehemaligen DDR auf die Straße gegangen sind oder die in Polen die Solidarnosc bewundert haben“, sagt Lafontaine.

„Dieser Vergleich mit den Montagsdemonstrationen in der ehemaligen DDR ist völlig schief und unangemessen”, entgegnet Korte. „Damals waren es neue Formen des Widerstands in einem Unrechtsstaat. Auf ihrem Weg zu mehr Freiheit begaben sich die Menschen in Gefahr, verhaftet zu werden”, so Korte. Davon könne bei der heutigen Krise nicht die Rede sein. Er warnt davor, Ängste zu schüren: „Der soziale Frieden, den wir haben, ist ein hohes Gut.”

"Eher kühl und leidenschaftslos"

Die Gefahr aufziehender sozialer Unruhen sehe er in Deutschland derzeit nicht, sagt Korte. Bislang habe man sich hier eher kühl und leidenschaftslos mit den Ursachen und Auswirkungen einer globalen Wirtschaftskrise auseinander gesetzt.

Doch wie heiß wird der 1. Mai? Korte glaubt: „Das Thema der Demonstrationen wird nicht so sehr die ökonomische Ungerechtigkeit sein, sondern vielmehr die Sorge um die eigene soziale Sicherheit”. Den Menschen gehe es in diesen Krisentagen um den Status quo: „Jeder ist mit sich selbst beschäftigt.”

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