In einer bewegenden Messe am Karfreitagmorgen nahm Angehörige und Helfer in L'Aquila Abschied von den Opfern des Erdbebens vom 6. April. Und ganz Italien trauerte mit.

In Vierer-Reihen stehen 205 mit Blumen geschmückte Särge auf dem Vorplatz der Finanzpolizeischule in Coppito bei L'Aquila. Die weißen der Kinder stehen oft auf dem Sarg eines Erwachsenen, Spielzeug liegt darauf. Auf einem Foto lacht Piero, 23-jähriger Student, der zu den Opfern im zerstörten Studentenheim von L'Aquila gehört. Seine schluchzende Mutter davor streichelt immer wieder über den Sarg. Vor diesem eindrucksvollen und zugleich erschütternden Bild nehmen Angehörige, Erdbebengeschädigte, Helfer und Persönlichkeiten aus Staat und Politik am Karfreitagmorgen bei einer katholischen Beisetzungsfeierlichkeit Abschied. Abschied von den Todesopfern des Bebens. 289 sind es bislang.

Weinend sitzt ein Angehöriger an einem der Särge.  Foto: afp
Weinend sitzt ein Angehöriger an einem der Särge. Foto: afp © AFP

Ganz Italien trauert mit. Flaggen sind auf halbmast gesenkt, Geschäfte schließen vorübergehend, in Firmen und auf den Flughäfen werden Schweigeminuten eingelegt. Es ist die bisher größte Stunde der Solidarität, bei immer noch recht heftigen Nachbeben. Papst Benedikt XVI. hat seinen „Vize”, Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, aber auch seinen Privatsekretär, geweihte Öle und eine persönliche Spende geschickt. Prälat Georg Gänswein verliest zu Beginn eine Botschaft des Kirchenoberhauptes. Er bitte Gott inständig darum, „dass alle den Mut haben, weiterhin zu hoffen und nicht der Verzagtheit zu erliegen”, schreibt der Papst und spricht von einer „unermesslichen Tragödie”. Nach Ostern will er die Erdbebenzone besuchen. Die Zeremonie leitet Bischof Guiseppe Molinari von L'Aquila, selbst nur um ein Haar dem Tod entgangen. Er hatte zur Zeit des schwersten Erdstoßes Montagnacht unten im Haus seine Medikamente gesucht – oben stürzte der Fußboden seines Schlafzimmers ein.

In seiner ergreifenden Predigt erinnert Kardinal Bertone an die 20 Kinder und vielen jungen Leuten unter den Opfern. Die Angehörigen ständen „unter dem Kreuz, neben diesen Särgen”, sagt er mit Hinweis auf die Karfreitagsbedeutung . Nach dem Gottesdienst spricht auch ein Iman – sechs Opfer sind Muslime.

40.000 sind obdachlos

„Und jetzt hoffen wir, dass unser Schicksal weiterhin interessieren wird, und wir nicht eines Tages in Baracken vergessen werden”, sagt leise eine Frau, als alles vorbei ist. Knapp 40.000 Menschen gelten derzeit als obdachlos. Zwei Monate werde allein die Schadensermittlung dauern, hat Regierungschef Silvio Berlusconi angekündigt. Für den Wiederaufbau hofft er auf bis zu 500 Millionen Euro aus EU-Fonds und auf Hilfe einzelner Länder. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte Italien bereits Unterstützung zu, insbesondere für die Kirche in der fast total zerstörten Ortschaft Onna.

Und nicht nur die Betroffenen, ganz Italien hofft darauf, dass erdbebengerecht wiederaufgebaut werden möge. Das geschah auf dem Stiefel mit seinen vielen Risikozonen bisher nicht. Zuviel sei gepfuscht worden, zuwenig kontrolliert, wird wieder einmal zurecht geklagt. L'Aquila beweise es: Gebäude der letzten Jahrzehnte fielen auch deshalb wie Kartenhäuser zusammen, weil statt salzlosem Sand der billigere aus dem Meer im Zement vermischt wird. Die im Baumarkt einflussreiche Mafia habe da von Mailand bis Palermo ihre Hände im Spiel, heißt es.

Mehr zum Thema: