Düsseldorf. Die NRW-Landesregierung gibt den 97 psychiatrischen Kliniken des Landes Rückendeckung: Sie sollen Kameras einbauen dürfen, um die Patienten rund um die Uhr zu überwachen. Das stößt auf Kritik: "Zynisch", sagt Matthias Seibt vom Verband Psychiatrie-Erfahrener.

Die automatische Kamera-Überwachung rund um die Uhr soll die Sicherheit in den Krankenhäusern erhöhen und Personal entlasten. Das Projekt sorgt allerdings für erheblichen Unmut: „Unmenschlich” und „entwürdigend”, klagt der Landesverband Psychiatrie-Erfahrener NRW. Die FDP-Landtagsfraktion fordert die sofortige Rücknahme des Erlasses aus dem Haus von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), der Videoüberwachung „insbesondere in geschlossenen psychiatrischen Stationen” für zulässig erklärt. „Überwachungskameras haben in Psychiatrischen Kliniken nichts zu suchen”, sagte der FDP-Gesundheitsexperte Stefan Romberg der WAZ. „Menschen in psychiatrischen Krisen brauchen die Klinik als Schutzraum, daher dürfen dort ihre Persönlichkeitsrechte nicht durch Überwachungskameras angegriffen werden.”

"Ängste der Patienten werden verstärkt"

Gerade bei psychisch Kranken könnten Kameras Ängste und Misstrauen noch verstärken und damit ihre Krankheit verschlimmern, warnt der FDP-Politiker, der selbst Facharzt für Nervenheilkunde ist.

Ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministerium verteidigte gegenüber der WAZ die Überwachung per Kamera. Sie solle nur bei zwangseingewiesenen Patienten eingesetzt werden, die mit ihren Aggressionen sich selbst oder andere gefährden könnten. „Das ist besser als eine Überwachung durch eine Scheibe zum Flur, durch die auch alle Besucher gucken können.” In NRW werden pro Jahr mehr als 20.000 Menschen in die Psychiatrie zwangseingewiesen.

Wie eine private Wohnung - oder wie ein öffentlicher Raum?

Suizidgefährdete Patienten benötigten eine intensive Betreuung durch Fachpersonal, die durch Videotechnik nicht ersetzt werden könne, entgegnet Romberg. Eine elektronische Überwachung der Patienten in ihren Zimmern hält der Politiker nach Gesprächen mit Juristen ohnehin für verfassungswidrig. „Dort muss der gleiche Schutz gelten wie für die private Wohnung.”

Das NRW-Gesundheitsministerium vertritt hingegen unter Berufung auf den Bundesdatenschützer in seinem Erlass die Rechtsauffassung, Patientenzimmer seien „als öffentliche zugängliche Räume anzusehen, da zum Beispiel das Pflegepersonal jederzeit Zutritt haben muss – gegebenenfalls auch gegen den Willen der Patienten”.

Kliniken sollen selbst entscheiden

Das sei „zynisch” und „absurd”, beklagt Matthias Seibt vom Verband Psychiatrie-Erfahrener in einem Beschwerdebrief an Gesundheitsminister Laumann. „Oft wird selbst Angehörigen und guten Freunden der Besuch fixierter Insassen verwehrt.” Laumanns Sprecher sagt, die Kameraüberwachung sei „eine Maßnahme zum Wohle der Patienten, Besucher und des Pflegepersonals”. Über den Einbau der Technik müsse aber „jede Klinik in eigener Verantwortung selbst entscheiden”.

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