Brüssel. Ständig werden Flüchtlinge an Europas Küsten gespült, besonders im Süden. Doch viele erreichen den Kontinent nie, so wie die 300, die jetzt vor Libyens Küste ertrunken sind. Die Politik tut sich nach wie vor schwer mit der Steuerung der Einwanderung, einheitliche Regeln gibt es nicht.
Als die EU-Innenminister im vorigen Sommer über die Einwanderungspolitik debattierten, waren sie sich schnell einig: „Europa ist keine Festung“, betonte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Verzweifelte Menschen würden nicht im Stich gelassen und Flüchtlinge notfalls eine neue Heimat bekommen; man müsse die Zuwanderung nur besser regeln. Seitdem haben wieder Hunderte Menschen an den Grenzen ihr Leben gelassen, sind wieder Hunderte Frauen, Männer und Kinder auf der Flucht ertrunken, wurden Hunderte Asylsuchende in Lager gepfercht. Und Europa sieht weiter hilflos zu.
Länder müssen gemeinsamen Umgang mit Einwandern finden
Tatsächlich tut sich die EU nach wie vor sehr schwer, die richtige Antwort auf das Flüchtlingsdrama an ihren Küsten zu finden: Während innerhalb der Gemeinschaft die Schlagbäume oben bleiben, immer mehr Staaten den Schengen-Abkommen beigetreten sind, wurde die Außengrenze zu einer High-Tech-Anlage aufgerüstet und die Grenzschutzagentur Frontex gestärkt; Patrouillen sollen ungebetene Eindringlinge abwehren und Illegale rascher in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Doch genützt hat das alles nichts; der Strom der Flüchtlinge ist ungebrochen.
Wenn die EU Einwanderung wirkungsvoll steuern will, muss weiter reichende Lösungen finden, davon sind die Regierungen überzeugt. Doch Willensbekundungen allein reichen nicht aus: Die Länder müssen einen gemeinsamen Umgang mit Asylbewerbern, mit legalen und illegalen Einwanderern finden. Bislang kocht jeder sein eigenes Süppchen: Spanien, aber auch Italien und Griechenland zum Beispiel haben in der Vergangenheit großzügig Aufenthaltsbewilligungen an Illegale verteilt, um dringend benötigte Saisonarbeiter anzulocken - und damit Begehrlichkeiten geweckt.
Vorschläge der EU-Kommission stoßen sogleich auf Protest
Die EU muss auch enger mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge zusammenarbeiten. Afrikanische Regierungen schalten beim Stichwort Rückführungsabkommen oft auf taub, vor allem, wenn es keine Gegenangebote gibt für eine legale Einwanderung. Doch sobald die EU-Kommission Vorschläge macht, eine Arbeitserlaubnis für hochqualifizierte Migranten vorschlägt oder Saisonarbeitern die Einreise in die EU erleichtern will, hagelt es Protest – allen voraus aus Deutschland, das sich keine gemeinsame Regelung aufzwingen lassen will.
Da Entscheidungen zur legalen Zuwanderung in der EU aber Einstimmigkeit erfordern, hängen viele Gesetze in der Warteschleife. Und so lange sich Europa nicht einig ist, wird das Elend vor seinen Küsten weitergehen.