Antalya. Drei Tage nach dem Tod eines Lübecker Schülers in ein einem türkischen Hotel schweben zwei seiner Mitschüler noch in Lebensgefahr, der Zustand von vier anderen ist kritisch. Die Staatsanwaltschaft untersucht jetzt, ob sie durch schwarzgebrannten Schnaps vergiftet wurden.

Drei Tage nach dem Tod eines 21-jährigen deutschen Schülers bei einem Trinkgelage im südtürkischen Badeort Kemer schweben zwei seiner Klassenkameraden immer noch in Lebensgefahr. Sie liegen nach Aussage von Ärzten in einem künstlichen Koma. Vier weitere Jugendliche liegen mit schweren Alkoholvergiftungen im Krankenhaus. Ihr Zustand gilt als kritisch. Die Staatsanwaltschaft untersucht, ob sich die Schüler mit gepanschtem Alkohol vergiftet haben.

All-Inklusive-Hotel

Die Jugendlichen gehören zu einer Gruppe von elf Schülern einer Lübecker Realschule. Sie hatten mit ihrem Lehrer eine Klassenfahrt nach Kemer bei Antalya unternommen und dort das All-Inklusive-Hotel Anatolia Beach gebucht. Hoteldirektor Osman Kafadar soll gesagt haben, die Gruppe sei von Anfang an unangenehm aufgefallen.

Nachdem einige Schüler offenbar schon nach der Ankunft getrunken hatten, erließ der Lehrer ein Alkoholverbot. Eine Mitschülerin spricht von Verstößen: „Einige Jungen haben sich nicht daran gehalten und besorgten sich eine Flasche Wodka aus einem Laden in der Nähe des Hotels.”

Flasche beschlagnahmt

Die Staatsanwaltschaft hat eine Obduktion angeordnet. Die Polizei beschlagnahmte die Flasche, aus der die Jugendlichen getrunken haben sollen, um die Qualität des Getränks zu prüfen. Dass die Schüler gepanschten Schnaps getrunken haben, ist ein Verdacht. Es wäre nicht das erste Mal, dass in der Türkei Menschen durch schwarz gebrannten Alkohol ums Leben kommen: 2005 starben in Istanbul mindestens 17 Menschen, nachdem sie gepanschten Raki getrunken hatten.

Schwarzbrennerei

Der Schnaps stammte aus einer Schwarzbrennerei, war mit billigem Methylalkohol versetzt und mit gefälschten Etiketten der Qualitätsmarke „Yeni Raki” in den Handel gebracht worden. Methylalkohol kann schon in geringen Dosen das Zentralnervensystem schädigen, zu Erblindung führen oder sogar tödlich wirken. Der Raki-Skandal vor vier Jahren löste eine Panik in der ganzen Türkei aus. Bei Razzien fand die Polizei in Läden und Hotels riesige Mengen von gepanschtem „Todes-Raki”: In der Provinzstadt Malatya entdeckten die Fahnder 2 000 Liter Giftschnaps.

Die islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Tayyip Erdogan hat in den vergangenen Jahren die Steuern auf hochprozentigen Alkohol, aber auch auf Wein und Bier massiv erhöht. Aus religiösen Gründen wurde der Ausschank von Alkohol in fast allen staatlichen Institutionen untersagt.

Hohe Alkoholsteuer

Einzelhändler und Wirte in Städten, die von der Erdogan-Partei kontrolliert werden, berichten von starkem Druck der Behörden, den Verkauf und Ausschank von Alkohol einzustellen. Kritiker der Regierung meinen, die Steuererhöhungen hätten dazu geführt, dass immer mehr Schnaps schwarz gebrannt werde – häufig versetzt mit lebensgefährlichem Methylalkohol.

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