St. Pölten. Josef Fritzl, der Inzesttäter von Amstetten, muss für den Rest seines Lebens hinter Gitter und findet das "gerecht". Staatsanwältin Christiane Burkheiser hatte auf Mord plädiert: "Fritzl habe den Todeskampf seines Kindes „nicht nur angesehen, sondern angehört – 66 Stunden lang."
Auch sein „Lebenslang” gibt seinen Opfern ihr Leben nicht zurück. Josef Fritzl weiß das, jedenfalls tut er in seinem Schlusswort vor Gericht, als habe er es endlich begriffen: „Ich kann es leider nicht mehr gutmachen.” Er könne lediglich „schauen, den Schaden nach Möglichkeit zu begrenzen”.
Nur hat dieser Mann eben alle Grenzen überschritten.
Mord. Sklaverei. Freiheitsentziehung. Blutschande. Vergewaltigung, schwere Nötigung, tausendfach! All das tat Josef Fritzl aus Amstetten, Niederösterreich, in einem Kellerverlies seinem eigenen Kind an und dessen Kindern, die ebenfalls seine waren: 24 Jahre lang. Er hat alles zugegeben, nach langem Zögern, und die Geschworenen hatten keinen Zweifel: „Schuldig in allen Punkten der Anklage”, urteilen sie einstimmig am vierten Prozesstag von St. Pölten.
"Ich bereue aus ganzem Herzen"
Nun muss der 73-Jährige lebenslänglich hinter Gitter, wird in einer forensischen Klinik eine Therapie machen müssen: „Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher”, wie man in Österreich sagt. Von „hochgradiger seelisch-geistiger Abartigkeit” hatte die psychologische Gutachterin gesprochen. Krank allerdings sei der Angeklagte nicht, und trotzdem gebe es nun Grund zur Sorge: Die Gerichtsverhandlung habe das ganze Kartenhaus des Josef Fritzl einstürzen lassen. Mit der neuen Realität werde er „schlecht leben können”: Er gilt jetzt als selbstmordgefährdet.
Die Tochter glaubt ihm die Reue nicht
Dabei findet Fritzl das Urteil „gerecht”, legt keine Rechtsmittel ein. „Ich bereue aus ganzem Herzen, was ich meiner Familie angetan habe”, sagt er vor dem Schuldspruch. Die Psychologin aber hat zuvor betont: Er sei grundsätzlich nicht in der Lage, sich in andere hineinzufühlen. Deshalb glaubt ihm auch die Tochter die plötzliche Reue nicht.
Heimlich hat Elisabeth Fritzl auf den Zuschauerrängen Teile des Prozesses verfolgt, angeblich ist es ihre Anwesenheit gewesen, die den Vater zur Einsicht zwang. Am letzten Verhandlungstag meldet sich die 42-Jährige erstmals öffentlich zu Wort: Sie wünsche, dass ihr Peiniger bis zu seinem Tod nicht mehr frei komme.
Sie lässt ihre Anwältin reden, Eva Plaz richtet also aus: „Das, was Sie gehört haben, war kein Geständnis. Er verharmlost und hofft, dass ihm geglaubt wird.” Eigentlich hatte die siebenfache Mutter nichts sagen wollen, hätte nicht einmal aussagen müssen, diese langen elf Stunden, aufgenommen mit einer Videokamera. Aber „sie will, dass er für den Tod des Kindes zur Verantwortung gezogen wird”. Der kleine Michael war 1996 gestorben, weil der Vater für den blau angelaufenen Säugling keine Hilfe geholt hatte. Elisabeth, sagt Opferanwältin Plaz, „musste ihrem Sohn beim Sterben zusehen”.
So sieht das auch die Staatsanwältin. Fritzl habe den Todeskampf seines Kindes „nicht nur angesehen, sondern angehört – 66 Stunden lang”, sagt Christiane Burkheiser, die deshalb auf Mord plädiert. „Jeder Laie hätte feststellen können, dass dieses Kind mit dem Tode ringt.” Der Angeklagte habe zudem seine Tochter in völlige Abhängigkeit gebracht, besitze eine „unglaubliche manipulative Fähigkeit”, so Burkheiser. „Lassen Sie sich nicht täuschen!”, mahnt sie die Geschworenen. Fritzl habe den Zusammenbruch beim Anblick seiner Tochter im Gerichtssaal, seinen Sinneswandel und das folgende Geständnis am dritten Prozesstag nur inszeniert, um ein härteres Urteil abzuwenden.
Verteidiger: "Er hat sie dort oben gesehen"
Alles nur getrickst? Das wirft umgekehrt auch der Verteidiger der Kammer vor: „Er hat sie dort oben gesehen”, sagt Rudolf Mayer, „das hat das Gericht gut gemacht.” Man habe wohl erwartet, dass sein Mandat zusammenbreche, wenn er sein Opfer entdecke, und das sei auch geschehen: „Er war innerlich gepackt.” Den Schuldspruch indes nimmt Josef Fritzl regungslos hin. Eilig und gleich zweifach versichert er, er nehme das Urteil an, fällt dafür sogar der Richterin ins Wort.
Nur rein theoretisch, erklärt ein Gerichtssprecher, könnte Fritzl, ähnlich wie nach deutschem Recht, nach 15 Jahren wieder freikommen. In seiner Heimat mögen sie daran lieber nicht denken: „Ein dunkles Kapitel in unserer Stadtgeschichte”, sagt am Donnerstag Amstettens Bürgermeister Herbert Katzengruber, „ist abgeschlossen.” (mit Material von afp/Kurier)