Immer häufiger wird gefordert, den Einfluss der internationalen Regierungen auf das Internet zu stärken, weil sich das Netz nationaler Kontrolle entzieht. Bisher besitzt das Internet nur eine Selbstverwaltung. So kümmert sich u.a. etwa eine Arbeitsgruppe (Engineering Task Force) um seine technische Weiterentwicklung und Funktionsfähigkeit. Die Adressverwaltung wird hingegen seit 1998 nicht mehr vom US Handelsministerium, sondern von der privaten gemeinnützigen Organisation ICANN (Internet Corporation for Assigned Namesand Numbers) getragen. ICANN führt das Adressverzeichnis, indem sie beispielsweiseden Ländercode (z.B. „.de“) für Internetadressen vergibt. Dies alles dient dem reibungslosen Betrieb des In-ternet.

Die ICANN Netzverwaltung oder die Task Force sind keine Netzregierung. Regierungen sind dabei zum Teil gar nicht oder wie bei ICANN nur beratend eingebunden. In diesen Netzinstitutionen wird nicht darüber entschieden, wer Zugang zum Netz haben soll und welche Inhalte dort stehen dürfen.

Das ist einigen und vor allem autoritären Politikern ein Dorn im Auge. Über das UNO-Internetregierungsforum, das Ende September 2011 in Nairobi tagte, brachten unter anderem Russland und China deshalb einen Vorschlag für einen international verbindlichen Verhaltenskodex ein. Er sieht vor, die Netzverwaltung auf die UNO-Telekommunikationsagentur zu übertragen und die nationalen Netze staatlich zu kontrollieren.

Dies ist einerseits nur ein Hebel, um einschlägigen politischen Regierungsinteressen zum Durchbruch zu verhelfen. Andererseits ist eine Organisation, die in der Tradition eines staatlichen Postministeriums der 1970er Jahre steht und von Diplomaten getragen wird, wohl kaum geeignet, der Dynamik, Innovationskraft und Kreativität des Netzes zu dienen.

Demgegenüber zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass die Selbstverwaltung der Netznutzer zwar kompliziert, letztlich aber leistungsfähig ist. So konnte sich die soziale und wirtschaftliche Bedeutung des Netzes sprunghaft entwickeln.

Während die technische Infrastruktur für den Datentransport und die Dienstleistung gut bei der Netzselbstverwaltung aufgehoben sind, ist es in Hinblick auf die Inhalte einerseits schwer vorstellbar, dass sich gesellschaftliche Probleme wie etwa Rechtsextremismus oder Kinderpornographie durch Zensur und Regulieren im weltweiten Konsens lösen lassen. Zum anderen dürfte es mit der Freiheit im Netz bald
vorbei sein, wenn die Mehrheit in der UNO-Vollversammlung über Inhalte entscheidet.