Essen. Der Kommunalwahlkampf geht in seine heiße Phase. Wird Rot oder Schwarz im Land vorne liegen? Ein Überblick über die politische Lage in den zehn größten und wichtigsten Städten des Ruhrgebiets.

Für Politikwissenschaftler wie Karl-Rudolf Korte sind es ohnehin die wichtigsten Entscheidungen, wahre „Hochfeste der Demokratie” – die Kommunalwahlen. In den Städten und Gemeinden spüren die Bürger die Auswirkungen der politischen Beschlüsse ihrer Volksvertreter am unmittelbarsten. Wenn die rund 14 Millionen zur Wahl berechtigten Nordrhein-Westfalen in diesem Herbst – für den genauen Termin muss zunächst das Landesverfassungsgericht über eine SPD-Klage entscheiden – die neuen Stadt-, Gemeinde- und Bezirksvertretungen bestimmen, wird es sogar spannender als je zuvor werden: Denn je nach Gerichtsentscheid findet unmittelbar danach die Bundestagswahl statt, im Frühjahr 2010 folgt die Landtagswahl an Rhein und Ruhr.

Die Wahlkämpfer der Parteien haben die heiße Phase eingeläutet, die Programme und Kampagnen sind inzwischen weitgehend beschlossen. Wenige Monate vor der Wahl bietet die WAZ Ihnen einen ersten Überblick über die Ausgangslage in zehn der größten und wichtigsten Kommunen Nordrhein-Westfalens.

Bottrop

Für Bottrops Oberbürgermeister Peter Noetzel endet die Amtszeit in diesem Jahr, denn der 62-jährige Sozialdemokrat tritt nicht noch einmal an. Für seine Nachfolge macht sich Bernd Tischler stark. Wie schon zuvor Noetzel machte auch er eine Verwaltungskarriere, Tischler (49) ist zurzeit Technischer Beigeordneter der Stadt. Sein Gegenspieler von der CDU heißt Marc Buchholz und war bis dato ein unbeschriebenes Blatt, denn der 41-Jährige arbeitet als Dezernent in Kevelaer und wohnt in Duisburg. Mit Ausnahme der FDP haben auch die anderen Ratsfraktionen OB-Kandidaten aufgestellt. fri

Essen

Zehn Jahre nach dem historischen Machtwechsel in Essen steht die CDU vor einer harten Bewährungsprobe. Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger tritt nicht mehr an. Für die CDU kandidiert der frühere Landtagsabgeordnete Franz-Josef Britz. Der örtliche Parteichef gilt als Architekt einer recht reibungslos arbeitenden schwarz-grünen Kooperation im Rathaus, ist aber ein eher unauffälliger Vertreter. Die SPD wähnt sich nach überstandenen parteiinternen Skandalen bereit, die Vorherrschaft in der einstigen „roten Bastion” Essen zurückzuerobern. Eine Umfrage sieht sie sogar vorn. SPD-Spitzenkandidat ist Ratsfraktionschef Reinhard Paß, ein Diplom-Ingenieur und Betriebsrat. tobi

Gelsenkirchen

Für viele überraschend besiegte der SPD-Landtagsabgeordnete Frank Baranowski in Gelsenkirchen 2004 in der Stichwahl Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU). Als noch größerer Außenseiter gilt diesmal der in Köln lebende CDU-OB-Kandidat Norbert Mörs (53), den die Union praktisch aus dem Hut gezaubert hat. Der gebürtige Bueraner ist Bankdirektor bei der West LB, sammelte aber schon Verwaltungserfahrung u.a. als Oberkreisdirektor des Rheinisch-Bergischen Kreises. Der zurzeit schon sehr bunte Rat – neun Parteien und Gruppen sind vertreten – könnte durch zusätzliche Kandidaturen an den Rändern noch bunter werden. loc

Herne

Horst Schiereck (SPD, 60) ist seit 2004 Herner Oberbürgermeister und kandidiert für eine zweite Amtszeit. Wie vor fünf Jahren muss er gegen Herausforderer Markus Schlüter (CDU, 40) antreten. 2004 hat sich Schiereck mit 63% zu 36% in der Stichwahl durchgesetzt. Die Grünen, die mit der SPD im Rat zusammenarbeiten, haben auf einen eigenen Kandidaten verzichtet. SPD und Grüne haben angekündigt, ihre „Koalition” fortsetzen zu wollen. Knackpunkt der Kommunalwahl könnte das Abschneiden der Parteien links von der SPD werden. Mit Die Linke und der Alternativen Liste (AL) treten in Herne gleich zwei Parteien an, die der SPD Stimmen abjagen wollen. JoS.

Mülheim

In Mülheim regiert seit vier Jahren mit deutlicher Mehrheit eine große „Koalition” aus SPD und CDU. Mit Dagmar Mühlenfeld steht seit sechs Jahren eine Sozialdemokratin an der Spitze des Rates. Sie tritt erneut an und hält sich zugute, dass unter ihrer Regie der „Stillstand” in der Stadtentwicklung beendet wurde. Mühlenfeld rechnet sich gute Chancen für eine Wiederwahl aus. Ihr größter Konkurrent ist CDU Kandidat Stefan Zowislo, der zuletzt allerdings mit der eigenen Partei aneinander geriet. Er tritt mit dem Slogan an: „Mülheim kann mehr”. Die Chancen? Häufig ist von einem Kopf-an-Kopf-Rennen die Rede. meß

Bochum

In Bochum kommt es personell zu einer Neuauflage der Kommunalwahl von 2004: Für die SPD tritt Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz (60) abermals gegen Rechtsanwalt Lothar Gräfingholt (55) von der CDU an. Ob Scholz ihren deutlichen Erfolg von 2004, als sie auf 60,8 Prozent in der Stichwahl kam, wiederholen kann, gilt in dieser Höhe als zweifelhaft. Der früheren Stadtkämmerin hängt das von ihr im Auftrag des Rates unterschriebene Cross-Border-Kanalgeschäft mit US-Investoren an, das der Stadt Bochum Millionen Euro Verluste eintragen könnte. Hinzu kommen Rückschläge wie die Schließung von Nokia, die Zitterpartie bei Opel und Personalabbau bei BP/Aral. R.H.

Oberhausen

Bei der Kommunalwahl 2004 galt Oberhausen noch als eine der letzten roten Bastionen im Revier. Die Sozialdemokraten holten kamen auf 50,37 %. Ihr OB-Kandidat Klaus Wehling schaffte es souverän im ersten Wahlgang. Seither regiert die SPD dank der OB-Stimme mit knapper Mehrheit. Selbst SPD-Hardliner zweifeln im stillen Kämmerlein daran, dass die Dominanz ihrer Partei erhalten bleibt. CDU-OB-Kandidat Dirk Buttler (39) kennt sich als Rechts- und Umweltdezernent im Rathaus bestens aus und wird sich im Wahlkampf gegen seinen Vorgesetzten, Sympathieträger Klaus Wehling, als kompetenter Fachmann profilieren. kie

Dortmund

In Dortmund wechselt der wichtigste politische Posten mit Sicherheit; denn OB Langemeyer (65), seit 1999 im Amt, tritt nicht wieder an. Chancen, ihm nachzufolgen, rechnen sich Ullrich Sierau (53/SPD), seit 1999 Planungsdezernent, und der parteilose Anwalt Joachim Pohlmann (54), gemeinsamer Kandidat von CDU und FDP, aus. Meinungsforscher sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus: Zwar sahen im Januar 29 % der Bürger den Verwaltungsexperten vorne, aber der Polit-Neuling schaffte auf Anhieb 26 %. Die zehn Prozent, die der Grünen-Kandidat Mario Krüger bindet, könnten der SPD am Ende bitter fehlen. Dabei möchte Rot-Grün im Rat weiter am Ruder bleiben. rm

Witten

Bei den Bürgermeisterwahlen in Witten wiederholt sich das Duell zwischen SPD-Amtsinhaberin Sonja Leidemann und CDU-Fraktionschef Klaus Noske. Anders als ursprünglich angekündigt, wollen die Liberalen wieder einen Bewerber ins Rennen schicken, ebenso die Linkspartei. Klare Mehrheiten gibt es trotz einer rot-grünen Koalition, die auch nach der Kommunalwahl Bestand haben soll, bisher nicht. Neben einigen Kleinfraktionen sitzen mehrere fraktionslose Mandatsträger im Rat. Wahlkampfthemen werden die Auflösung einer Grundschule, der Bau einer „Luxus”-Haltestelle, der Ausbau der offenen Ganztagsschule und die City-Neugestaltung sein. aug

Duisburg

Ins OB-Rennen schickt die Duisburger CDU Amtsinhaber Adolf Sauerland. Die SPD hat den EX-Stadtdirektor und Rechtsdezernenten Jürgen C. Brandt aufgestellt. Die Grünen setzen auf Bürgermeisterin Doris Janicki, die Freien Demokraten auf den Juristen Frank Albrecht. Die Chemikerin Dr. Eva Selic will für die SGU punkten, und die Bürgerlich Liberalen bauen auf Harald Jeschke. Im Rat fallen die politischen Entscheidungen häufig knapp. Die Union regiert mit den Grünen in einer Kooperation, kommt einschließlich der Stimme des CDU-OB auf 36 Mandate. Die beiden für eine Ratsmehrheit fehlenden Stimmen stammen meistens von der rechtslastigen Bürgerunion. kajo

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