Aachen. Minentaucher Andreas Güldner möchte seinen Deutschen Rekord im Freitauchen erneut toppen.
Auf 71 Metern steht sein Rekord. Im endlosen Blau des Meeres hat er ihn aufgestellt. 71 Meter – das ist eine Tiefe, die von U-Booten des Zweiten Weltkrieges nie erreicht wurde. Zwischen dem heute 23-jährigen Andreas Güldner und dem Krieg, der bis vor 60 Jahren Millionen Menschen aus dem Leben riss, gibt es eine Verbindung: Der Mann entschärft Minen, die in Nord- und Ostsee vergessen wurden und heute noch Leben bedrohen. Im Hier und Jetzt, in „seinem Element“, dem Wasser, wo er im August seinen eigenen Rekord noch einmal über überbieten möchte: 74 Meter hat sich der Deutsche Meister des Apnoe-Tauchens vorgenommen.
Zwischen dem 8. und 11. August möchte er im ägyptischen Dahab im Roten Meer in die Tiefe gleiten. „Tauchen mit konstantem Gewicht“ heißt die Disziplin. Unter Kennern der Szene, die schwierigste Prüfung. Denn Güldner geht nur mit Flossen, Maske und Gewichten ins Wasser. Er benötigt keinen Schlitten, der den Taucher in die Tiefe zieht und mit einem Ballon wieder nach oben trägt. Hier hat der weltbekannte Pipin Ruhm erlangt. Hier hat Pipin aber auch bei einem Meisterschaftsversuch auf 171 Meter 2002 seine Frau Audrey Mestre verloren. „Er hat die Sicherheit vernachlässigt“, sagt Güldner. Das könne ihm nicht passieren. Für den Meisterschafts-Tauchgang werde er sein Team „drillmäßig Rettungstechniken üben lassen. Bis ich weiß: Ich kann mich 100-prozentig auf die Mannschaft verlassen“.
Respekt vor dem Medium Wasser
Güldner denkt, lebt und handelt rational. Respekt vor dem Medium Wasser, vor der Tiefe und den damit verbundenen Reaktionen des Körpers, wird er nie vernachlässigen. „Ich gehe jeden Tauchgang mit der gleichen Konzentration an, ob er auf 70 Meter geht oder auf zehn, ob ich arbeite und eine Mine entschärfen muss, oder ob ich zum Vergnügen da unten bin.“ Und er gibt einen Tipp, an die stetig wachsende Gemeinde des Trendsports Apnoe: „Tauche nie allein, überschreite nie die eigenen Grenzen.”
In Dahab, wohin der Obermaat der Deutschen Marine für seinen Rekordversuch zurückkehrt, hat sich vor drei Jahren sein Leben grundsätzlich geändert. Eigentlich wollte der gelernte Kaufmann als Tauchlehrer auf dem Sinai arbeiten. Ein Haus hatte er sich bereits gekauft. Und sich an einem heißen Wüstenabend mit Freunden in einer Kneipe auf ein kühles Bier verabredet.
Bilder, die er nicht vergessen kann
„Es war der 24. April 2006.” Drei Selbstmordattentäter hatten sich in der kleinen Touristenstadt in die Luft gesprengt und Freunde von Gülder zählten zu den Opfern. „Ich hatte Glück, dass ich zu spät gekommen bin”, erinnert er sich. „Die Bilder werden mich mein ganzes Leben begleiten. Und plötzlich wusste ich: Ich möchte Taucher bleiben, aber gleichzeitig die Welt ein wenig sicherer machen.”
Güldner ging zur Marine und ließ sich zum Minentaucher ausbilden. Ein harter Job. „Von den 120 Stellen sind 40 besetzt”, sagt er. Von 16 Leuten, die mit ihm den Lehrgang begonnen hatten, blieben zum Schluss vier übrig. „Wir machen eine ähnliche Ausbildung wie die Kampfschwimmer”, berichtet er. „Wir werden während der Ausbildung extrem gestresst, um beim Einsatz besonnen vorzugehen.” Etwa 40-mal pro Jahr wird's ernst. In Nord- und Ostsee liegen auch heute noch alte Minen auf den Schifffahrtsrouten. In allen Häfen dieser Welt, wo deutsche Schiffe stationiert werden, suchen die Minentaucher die Gewässer ab. Bis in maximal 54 Meter Tiefe schwimmen sie mit einer antimagnetischen Ausrüstung und modernen Kreislaufgeräten – Atemgeräte, die keine ausgeatmete Luft ins Wasser entlassen und somit extrem leise sind – die lebensbedrohlichen Fallen an und sprengen sie. „Diese Arbeit kann kein Gerät erledigen”, sagt er.
Berufstaucher in Eckernfoerde
Güldner hat seine Herausforderung gefunden. Er möchte nach seinem Fachkundelehrgang Munition als Berufstaucher bei der Minentaucherkompanie in Eckernfoerde arbeiten. Wenn er aus Ägypten zurück ist, wenn er seinen eigenen Rekord gebrochen hat, nachdem seine Kollegen ihn als „tiefsten Deutschen” erneut gefeiert haben..