Berlin. Die Schäden am Kernkraftwerk Krümmel sind schwerer als bisher bekannt. „Wir haben mit großer Wahrscheinlichkeit einen Brennstabschaden“, sagte gestern der Chef der Nuklearsparte bei Vattenfall, Ernst Michael Züfle.
Noch in dieser Woche will das Unternehmen den Reaktordeckel öffnen und alle 80.000 Brennstäbe untersuchen. Es seien allenfalls einige wenige Stäbe durch im Kühlwasser schwimmende Teilchen beschädigt worden, erläuterte Züfle. Einen Zusammenhang zum Kurzschluss in einem Transformator am letzten Wochenende besteht wohl nicht. Letzteres war der Auslöser für eine neuerliche Debatte um die Atomkraft und die Sicherheit älteren Anlagen wie der bei Hamburg.
"Haben erneut Vertrauen verloren"
Der schwedische Versorger bemüht sich nun um Schadensbegrenzung. „Mir ist bewusst, dass wir damit erneut Vertrauen verloren haben“, räumte der Vorstandschef von Vattenfall Europe, Tuoma Hatakka. Ein Sonderermittler des Konzerns soll die Geschehnisse rund um den Meiler Krümmel aufklären. Hatakka räumt Fehler des Kraftwerkspersonals ein. So sollte der Trafo, dessen Ausfall einen Zusammenbruch des Hamburger Stromnetzes nach sich zog, eigentlich von einem Messgerät überwacht werden. Doch der so genannte Körperschalldetektor wurde nie installiert. Außerdem informierte das Kraftwerk die Aufsichtsbehörden mit Verzögerung. „Das ist ein herber Rückschlag für die Anstrengungen der letzten zwei Jahre“, bedauerte Hatakka. 2007 musste Krümmel schon einmal vom Netz genommen werden, weil ein Trafo in Brand geraten war. Nach bisherigem Kenntnisstand geht der jüngste Störfall auf denselben Fehler am Ersatzaggregat zurück. Der Meiler war damit erst vor gut zwei Wochen wieder in Betrieb genommen worden. Nun will der Konzern alle Vorgänge im Kraftwerk auf den Prüfstand stellen. „Es bestand zu keinem Zeitpunkt ein Risikopotenzial für die Bevölkerung“, versicherte Züfle.
Bis Krümmel wieder hochgefahren werden kann, werden einige Monate vergehen. Eine endgültige Schließung des zu den ältesten Reaktoren gehörenden Reaktors lehnt Vattenfall ab, „Es gibt keinen Grund dafür“, sagte Hatakka. Das Sicherheitssystem habe gut funktioniert und es gebe keine Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betreibers.
Grüne fordern Stilllegung
Politiker fordern dagegen die Stilllegung. „Ein normaler Gastwirt hätte bei entsprechendem Fehlverhalten schon längst die Betriebslizenz entzogen bekommen“, sagte die grüne Umweltexpertin Bärbel Höhn. Die Grünen wollen eine Sondersitzung des Umweltausschusses im Bundestag beantragen und dort Konsequenzen für Vattenfall beraten. Der Versorger hat auch im Heimatland Schweden Probleme mit der Sicherheit in Atomkraftwerken. Die Aufsichtsbehörden verlangen, dass der Konzern mehr auf eine störungsfreie Technik achtet. Erstaunlich, dass dieser Druck nötig ist. Denn Vattenfall gehört zu 100 Prozent dem Staat.
Mit Transparenz und schnellen Informationen soll die Imagekrise behoben werden. Am Samstag wollen sich die Verantwortlichen aus dem Kraftwerk auch den Fragen der Anwohner stellen.