Rom. Mehrere Waggons entgleisen, flüssiges Gas gerät in Brand: Mindestens 16 Tote und zahlreiche Verletzte fordert das schwere Zugunglück in der Toskana. Nun rufen Eisenbahner zum Streik auf.
Um Mitternacht ist die Hölle los rund um den Bahnhof der schönen Toskanastadt Viareggio. Erst steigt eine weiße Wolke hoch, dann folgen drei Detonationen. Zwei Häuser stürzen nebenan ein, bei anderen bersten Fenster und Türen weg. Und überall züngeln Flammen. Der Himmel färbt sich feuerrot.
„Übers Dach sind wir geflüchtet, und ich habe mich 15 Meter in die Tiefe gestürzt” – der Augenzeuge im Krankenhaus von Versilia steht am Tag danach immer noch unter Schock. Mehrere Knochenbrüche hat er erlitten, er meint jedoch, er habe dennoch Glück gehabt: „Meine Nachbarn haben sich schwer verbrannt. Die Tochter wird wohl nicht überleben.” Die Fahrer des Zuges konnten sich offenbar retten, obwohl bereits Gas ins Führerhaus eingedrungen war. „Wir sind am Leben, das ist ein Wunder”, sagte einer der Zugführer.
300 Menschen evakuiert
Die Bilanz ist furchtbar: Mindestens 16 Tote hat das Bahnunglück mit Gasexplosionen, verursacht durch einen Güterzug mit deutschen und polnischen Waggons, in der Nacht zum Dienstag gekostet. Es ist das schwerste in Italien seit vier Jahren. Viele der 30 lebensgefährlichen Brandverletzten, sagt Zivilschutzkommissar Guido Bertolaso, würden wohl nicht durchkommen. 300 Menschen mussten evakuiert werden.
„Menschlicher Irrtum ist ausgeschlossen”, Italiens Bahnchef Mauro Moretti ist sich da schon wenige Stunden nach der Katastrophe sicher. Was er als mögliche Ursache signalisiert, ist alles andere als beruhigend. Vermutlich handele es sich um eine Kettenreaktion: Die Achse des ersten der 14 Waggons mit hochgefährlicher Flüssiggas-Ladung sei gebrochen und habe gleich vier Wagen entgleisen lassen. Beim Aufprall öffnete sich ein Tank, das Flüssiggas floss heraus, breitete sich aus und geriet schließlich in Brand. Die Folge: Tote, zerstörte Häuser, total verbrannte Autos.
Auf der Flucht umgekommen
Einige Menschen sind auf der Flucht in den Flammen umgekommen. Ein Jugendlicher, der gerade in dem Moment der Explosion auf einem Motoroller am Bahnhof vorbeifuhr, war sofort tot. Andere Anwohner erlagen im Krankenhaus ihren Verletzungen. Ein vierjähriges Mädchen, das per Hubschrauber in ein römisches Kinderhospital gebracht worden war, überlebte die Operation nicht.
Und die Explosionsgefahr hält an. Mindestens 24 Stunden brauchten sie, so Bertolaso, um die umgestürzten Waggons mit ihren Gastanks in Sicherheit zu bringen. Und weitere ein bis zwei Tage werde es wohl dauern, bis die Strecke wieder für den Bahnverkehr freigegeben werden könne. Italiens Innenminister Roberto Maroni forderte in einer ersten Reaktion, es müssten neue europäische Leitlinien her für den Gütertransport. „Eine angekündigte Tragödie”, hieß es bei den Gewerkschaften. Die Eisenbahner der Toskana kündigten für heute einen einstündigen Proteststreik an. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet.
Regierungschef Silvio Berlusconi kündigte einen Besuch des Unglücksortes an. Papst Benedikt XVI. sprach den Bewohnern der Stadt in einem Telegramm sein Mitgefühl aus.