An dieser Stelle kommentieren Professoren aus der Region jeden Montag aktuelle Themen. Heute: Anke Dieberg von der Fachhochschule für Ökonomie & Management in Essen.

Deutschland hat bereits deutlich höhere Strompreise als die wichtigsten europäischen Länder. Trotzdem sind weitere drastische Erhöhungen zu erwarten. Die Stromverbraucher stehen dieser Tatsache machtlos und verärgert gegenüber – private wie gewerbliche. Große Stromverbraucher meiden mittlerweile Deutschland. Damit wird der Strommarkt zum Standortnachteil.

Früher gab es langfristige Lieferverträge für die Endkunden. Durch die politisch gewünschte Liberalisierung der Märkte sollte seit 1998 mehr Wettbewerb für niedrigere Preise sorgen. Bedauerlicherweise ist das Gegenteil erreicht worden. Statt langfristiger Verträge gibt es immer mehr kurzfristige und häufig teurere Versorgungsverträge für die Endkunden.

Anke Dieberg  ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule für Ökonomie & Management in Essen.
Anke Dieberg ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule für Ökonomie & Management in Essen. © WAZ FotoPool

Es fehlen nachhaltige gesetzliche Regelungen

Eine zentrale Maßnahme zur Liberalisierung war die Schaffung der Strombörse EEX in Leipzig. Man ging davon aus, dass sich – ähnlich wie bei Aktienbörsen – faire Marktpreise durch Angebot und Nachfrage bilden. Leider wurde dabei unterschätzt, dass es sich beim Strommarkt in Deutschland um ein Angebotsoligopol (= sehr wenige Anbieter) handelt. Die wenigen großen Stromversorger regulieren über das Angebot und durch „strategische Käufe“ den Preis. Die Folge ist, dass an der EEX keine fairen, sondern überhöhte „Marktpreise“ entstehen. Diese These bestätigt sich, wenn man die Strompreisentwicklung seit 2002 beobachtet. Obwohl sich die Produktion seit 2002 nur unwesentlich verteuert hat, haben sich die Strompreise an der EEX bis in die Boomphase 2008 ungefähr vervierfacht.

Letztlich fehlen nachhaltige gesetzliche Regelungen für eine funktionsfähige Börsenaufsicht sowie eine Exekutive, die den deutschen Strommarkt professionell und engmaschig kontrolliert. So gibt es etwa für die EEX keine Meldepflichten und keine Überwachung des Insiderhandels. Auch deshalb liegen die Strompreise in Deutschland zum Teil um 40 Prozent höher als z. B. in Frankreich oder in Skandinavien.

Hohe Preise sind Standortnachteil für Deutschland

Darunter leiden große Industriestromverbraucher wie die Gießereibranche oder die Aluminiumindustrie. Die Essener Trimet Aluminium AG verbraucht als größter deutscher Aluminiumhersteller rund zwei Prozent des gesamten Industriestroms in Deutschland. Der Stromverbrauch macht knapp ein Drittel des gesamten Unternehmensumsatzes aus. Es ist selbsterklärend, dass ein Un­ternehmen bei diesem Kostenanteil für Strom nur dann dem Wettbewerbsdruck standhalten kann, wenn dieser Produktionsfaktor marktgerecht beschafft werden kann. Aus überhöhten Strompreisen folgt ein Standortnachteil für Deutschland, der Arbeitsplätze ins Ausland verlagert und die Steuereinnahmen in Deutschland mindert.

Wettbewerbsfähige Strompreise sind möglich. Neben einer wirksamen Börsenaufsicht könnte eine gesamteuropäische Energiebörse mit einem größeren Handelsvolumen zeitnah dazu beitragen. Damit wird auch zusätzlich ein zentrales Ziel der europäischen Kommission verfolgt, die einen europäischen Binnenmarkt für Strom und Gas schaffen möchte.