Duisburg. Erzieherinnen und Sozialpädagogen gehen in die siebte Streikwoche. 10.000 demonstrieren in Duisburg. Sie wollen mehr Anerkennung für ihren Job. Und sie wollem kämpfen, damit die Kitas nicht zur Verwahranstalt werden.

Ist dies jetzt der 15. Tag? Der 16.? „Das Zählen fällt langsam schwer”, sagt die Erzieherin aus Castrop-Rauxel; es ist die siebente Streikwoche, und Demonstrationen haben keine laufenden Nummern. Können Sie noch? „Wir müssen können”, sagen sie. Und: „Wir wollen hoffen.” Das sind in wenigen Worten viele Wörter, die man „Modale Hilfsverben” nennt – was etwas aussagt über die Hilflosigkeit der Erzieher.

Am Montag sind sie wieder zu Tausenden auf der Straße statt auf den Stühlchen in der Kita, die sie ja auch beklagen, weil sie Rückenschmerzen machen. 18.000 seien im Ausstand, meldet ihre Gewerkschaft, und mehr als 10.000 sammeln sich in Duisburg – aus Köln und Ennepetal und Dortmund; eine Verdi-rote Demonstration ist das, und eine laute, mit Pfeifen, Ratschen und Gebrüll lauter als die „Lärmbelästigung” einer Kindergartengruppe je sein könnte – und eine lustige: Diese Frauen, Männer eher vereinzelt, sind es gewohnt zu bespaßen, sie klatschen und singen und tanzen, „Erzieherinnen sind kreativ”, ruft es von der Bühne am Burgplatz.

Anliegen geht zwischen Karstadt und Opel unter

Und genau das hat man ihnen vorgeworfen in den letzten Wochen: „Die spielen doch nur”, diese „Kindergartentanten”, hat Tanja Kontoris gehört, was muss man da also demonstrieren? Ihr Anliegen geht ja tatsächlich etwas unter zwischen all den Protesten von Verkäuferinnen, Autobauern, Schülern, Studenten, Iranern... Es demonstrieren so viele in diesen Zeiten – und nun auch noch die Eltern, die ihre Kinder nicht betreut kriegen (siehe Zweittext). Zu Tanja Kontoris hat jemand gesagt: „Ihr braucht doch nicht zu streiken, es geht nicht um euren Arbeitsplatz.”

Nein, nicht um seinen Verlust, um den Arbeitsplatz schon: Der ist laut, der ist unbequem, der ist schlecht bezahlt, sagen die Erzieher. Zu große Gruppen gebe es, klagen die Frauen vom Naturkindergarten aus Castrop-Rauxel, dafür keine Vertretungskräfte, „man rotiert ein bisschen”, sagt Kosta Daniilidis, der aus der Jugendarbeit kommt. Claudia Haurand aus Marl trägt einen Arbeitsanzug, der alles sagt: „Protokolle schreiben”, „Personalgespräch”, „Förderpläne” steht auf bunten Kärtchen auf ihrem Körper, so viel Bürokratie, dazwischen ist nur noch wenig Platz für den eigentlichen Job: „Vorlesen”, „Trösten”, „Füttern” und bei alledem noch: „Geduld haben”.

Irgendwie schaffen sie es immer noch, sagen die Erzieherinnen aus Castrop, „aber eigentlich können wir unsere Konzeption nicht mehr richtig fahren”. Sie mühen sich „über das Limit” hinaus. Deshalb wollen diese Frauen, die einst ein Anerkennungsjahr machen mussten, nun wirklich Anerkennung: als „Zukunftsgestalterin”, steht auf ihren roten Hemden. Sie wollen, dass einer merkt, dass immer weniger Kollegen immer mehr Arbeit haben, sie wollen, dass die Leute nicht mehr glauben: „Denen geht es nur um Kohle”, wünscht sich Rainer Lümmen, der Sozialarbeiter. Allerdings auch: Denn es gibt ja dieses T-Shirt mit dem schrägen Vergleich in schrägem Deutsch: „Erzieherinnen sind wie Dessous: Spitzenqualität für ein Hauch von Nichts.”

Claudia Haurand aber hat ja den Anzug an und will kein „Randthema” mehr sein, „wir haben das lange genug so ausgesessen”: dass Kinder und Bildung in Deutschland keinen hohen Stellenwert hätten. „Wir müssen unten anfangen, und das ist nun mal die Kita!” Verdi-Frau Gabriele Schmidt ruft vom Podium, man müsse kämpfen, „dass Kitas nicht zur Verwahranstalt werden”. Ein Verhandlungsergebnis habe es nur deshalb bislang nicht gegeben, „weil die Arbeitgeber keins wollten”.

Streikpläne reichen bis in den August

Und genau daher rührt ja dieses hilflose Gefühl: Könnte es nicht sein, dass die Arbeitgeber bewusst den Ausstand verlängern? „Die Städte sparen doch, wenn wir streiken”, sagen die Erzieherinnen. „Sie behalten ja unsere Gehälter und die Elternbeiträge ein.” Wie auch immer: Am Dienstag, hat Verdi angekündigt, entscheidet eine Versammlung: „Wie geht es in den Sommerferien weiter, wie nach den Sommerferien.” Sie geben noch nicht auf.