Essen/Brüssel. Eigentlich sollte die heimische Autoindustrie von der Abwrackprämie profitieren. Doch eine aktuelle Studie belegt: Viele Autofahrer kassieren hier zu Lande das Geld und kaufen im Ausland einen Neuwagen – mit geringer Ersparnis.
Mit der Abwrackprämie wollte der Bund eigentlich der heimischen Autoindustrie aus der Patsche helfen. Nun sorgt die Verschrottungsprämie offenbar auch für einen verstärkten Auto-Absatz in Polen. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte wird inzwischen jeder zehnte Neuwagen in Polen von Deutschen geordert. Als Gründe nennt Deloitte die schwache polnische Währung Zloty, die seit dem Sommer ein Drittel an Wert verloren hat, und den Kaufanreiz durch die deutsche Abwrackprämie von 2500 Euro.
In Deutschland kassieren, in Polen kaufen
Da ein Neu-Pkw im Zuge der Abwrackprämie aber nicht zwingend in Deutschland gekauft werden müsse, würden viele über die Grenze fahren, so Deloitte. So stieg laut der Unternehmensberatung im ersten Quartal der Autoabsatz in Polen um 1,2 Prozent auf knapp 88 000 Fahrzeuge an.
In Deutschland kassieren, in Polen kaufen – rechtlich scheint nichts gegen diese Form des Autohandels zu sprechen. Denn: Grundsätzlich gelte der EU-Binnenmarkt und die Freiheit, sein Auto in einem EU-Mitgliedsstaat kaufen zu können, sagte Ton van Lierop, Sprecher von EU-Industriekommissar Günter Verheugen, der WAZ. Die Richtlinie der Abwrackprämie erlaubt auch den Kauf von EU-Fahrzeugen, sofern sie Ziffer 4.3 erfüllen. Demnach muss das Fahrzeug mindestens der Abgasnorm 4 entsprechen und im Inland auf den Antragsteller der Prämie zugelassen werden.
Keine Alternative für die breite Masse
„Für die breite Masse ist der Kauf in Polen keine Alternative”, sagte Eckehart Rotter, Sprecher beim Verband der Automobilwirtschaft (VdA), der WAZ. Die meisten Käufer bevorzugten demnach zuhause den „Händler ihres Vertrauens”, sagte Rotter auch im Hinblick auf Kundendienste und Reparaturen.
Auf den ersten Blick mag der Autokauf in Polen zwar lukrativ erscheinen. Nach einer Erhebung von Automobilprofessor Ferdinand Dudenhöffer ist die Preisempfehlung (vor Steuern) beispielsweise für den Fiat Panda in Polen sechs Prozent billiger als in Deutschland, der Nissan Micra sieben Prozent, der Fiat Grande Punto acht Prozent, der VW Polo neun Prozent und der Hyundai Getz 20 Prozent. „Es gibt auch Modelle, die in Polen teurer sind, etwa der Mini”, sagt Dudenhöffer. Aber: Hinzu komme die deutsche Mehrwertsteuer, die der Käufer bezahlen müsse, so Dudenhöffer. Dafür gebe es die polnische Mehrwersteuer zurück. Dudenhöffers Fazit: „In der Regel lohnt es sich nicht besonders, ein Auto in Polen zu kaufen.”
Aufwand lohnt sich selten
Das sieht Autoprofessor Stefan Bratzel ebenso. „Wenn man die Überführung eines Wagens aus Polen gut organisiert, kann man vielleicht ein paar hundert Euro sparen.” Die Frage sei aber, ob das den Aufwand lohne – besonders wenn die Käufer aus dem Ruhrgebiet komme.
Für Rainer Einenkel, Betriebsratschef von Opel in Bochum, ist das Ganze ein Ärgernis. „Die Abwrackprämie sollte eigentlich den Autoabsatz in Deutschland ankurbeln und Arbeitsplätze hier sichern”, sagte er. Leidtragende von der Möglichkeit, den Pkw in Polen zu kaufen, seien die heimischen Autohändler.