Köln. Jeder kennt sein Spiel, kaum jemand kennt ihn. Am Mittwochabend wird der russische Programmierer Alexey Pajitnov in Köln mit dem Computerspielpreis „Lara Of Honour” ausgezeichnet worden. Weil er vor 25 Jahren Tetris erfunden hat.

Frühsommer 1984. Der damals 28-jährige Pajitnov arbeitet im Computer-Center der Moskauer Akademie der Wissenschaften. Raketentechnik wird hier erforscht, an Spracherkennungsprogrammen gearbeitet. Ernst geht es zu. Zu ernst, findet Pajitnov und schreibt nebenbei ein kleines Programm. Ohne Ton und in schwarz-weiß. Klötzchen lässt er darin in ein Glas fallen. Unterschiedliche Blöcke, die aber immer aus vier Quadraten bestehen.

Das Prinzip kapiert man schnell

Deshalb nennt er das Spiel auch Tetris (griechisch: tetra = vier). Ist ein Klotz unten, folgt der nächste. Wird eine Reihe komplett geschlossen, verschwindet sie und bringt Punkte. Andernfalls wächst der Berg aus den Quadrattrümmern immer höher, bis das Glas überläuft. Game Over. „Ein Spielprinzip, das jeder Mensch in 20 Sekunden kapiert”, sagt Pajitnov.

„Videomist” urteilen Kollegen, die dem jungen Programmierer beim Spielen über die Schulter sehen. Trotzdem probieren sie Tetris aus. Und sind nicht mehr von ihren Elektronika-Rechnern wegzukriegen. Rechner, die außerhalb des Institutes kein Mensch besitzt. Vadim Gerasimov, ein Praktikant der Akademie, schreibt das winzige Programm deshalb für den PC um. Auch davon gibt es noch nicht viele. Aber es reicht, um Tetris bis nach Ungarn zu verbreiten. Was dann passiert, ist so kompliziert, dass es schon Bücher gefüllt hat. Die Kurzform geht in etwa so:

In Ungarn werden westliche Videospielfirmen auf das Programm aufmerksam. Sie schicken Mitarbeiter in die UdSSR, um Lizenzen zu erwerben. Nur von wem? „Alles, was ich entwickelt habe, gehörte der Akademie”, sagt Pajitnov. Doch die interessiert sich nicht für Tetris. „Macht mal”, beantwortet irgendjemand die Anfragen aus dem Westen. Und die Videospielfirmen machen. Allen voran Atari, damals weltweit größter Spielekonsolenanbieter. Aber auch die noch recht kleine Firma Nintendo ist stark interessiert.

Freude im Kreml

Es geht um Hunderte von Millionen. Solche Summen dringen selbst durch dicke Kremlmauern. Die UdSSR gründet über Nacht eine Lizenzierungsagentur. Und die sagt erst einmal „Njet”. Keine Rechte für niemanden. Wieder senden Atari und Nintendo Unterhändler. Ataris Mann gibt sich arrogant und geizig. So etwas mögen die Russen nicht. Nintendos Emissär bietet 500 000 Dollar und 50 US-Cent pro Kopie. So einer ist willkommen im Kreml. Nintendo bekommt die Rechte.

Atari muss daraufhin hunderttausende bereits produzierte Spielmodule einstampfen lassen. Für viele Branchenexperten ist es bis heute der Anfang vom Ende des Unternehmens. Nintendos Stern dagegen geht auf. Nicht nur, aber auch, weil jeder, der Tetris spielen will, einen dieser neuen Game Boys kaufen muss, 70 Millionen Menschen wollen das. Die Gewinne sind gigantisch.

Kein zweites Tetris

Pajitnov nutzt das nichts. Selbst als der „Eiserne Vorhang” gerissen ist, bekommt er keine Kopeke. Bis 1996 hat er alle Rechte an die Akademie abgetreten. Dafür darf er weiter Spiele entwickeln. Erst in seiner Heimat, seit 1991 dann in den USA. Pajitnov entwickelt viele Spiele. Gute Spiele. Doch ein zweites Tetris ist nicht darunter.

„Ist nicht schlimm”, sagt er heute. „Es geht mir gut.” Die seit 13 Jahren nun doch fließenden Tantiemen haben ihn nicht zum Millionär gemacht. Aber sie reichen für ein bequemes Leben in Seattle. Ein Leben, in dem Zeit bleibt, hin und wieder fallende Klötzchen zu ordnen. „Ich spiele immer noch gerne.”

Andere offenbar auch. Vor kurzem erst wurde Tetris für Apples iPhone veröffentlicht. Und nun auch noch der Preis. „Stolz” sei er darauf, sagt Pajitnov. Einerseits. Andererseits kann er den Trubel um Tetris auch nach 20 Jahren offenbar manchmal nicht so ganz nachvollziehen. „Letztendlich”, sagt er bescheiden, „ist es ja nur ein Spiel.”

DerWesten berichtet aktuell von den Lara-Awards aus Köln. Mehr im Laufe des Abends unter DerWesten.de/games