Dortmund/Beckum. Und es gibt ihn doch! Was in Köln bloß ein schlechter Scherz war, wird in Dortmund wirklich wahr: Aykut Akköse gründete den ersten türkischen Karnevalsverein.

Kommt ein Fotograf und zieht die Schuhe aus. Das war jetzt kein Witz, aber Aykut Akköse muss fürchterlich lachen: „Ja, denken Sie denn, das hier wäre ein Gebetsteppich?” Es ist ein Flokati. Frau Fatma kichert auch. Und überhaupt: „Wir trinken übrigens Alkohol. Und, sehen Sie dort, wir haben sogar einen Hund. Deutscher Labrador.” Da lachen sie noch mehr.

Macht der Mann sich etwa lustig? „Dafür ist Karneval doch da!”, sagt Aykut Akköse, dieser Schelm, aber jetzt mal im Ernst: Lasst doch die Vorurteile weg, „wir sind ganz normale Menschen”!

Bitte mit Bier und Bützchen

Nur ist man ein wenig vorsichtig geworden mit Türken, die Karnevalsvereine gründen in diesen närrischen Zeiten. In Köln schließlich hatte das im Januar auch schon einer behauptet, der rief nach Bier- und Bützchenverbot sowie sittsamer Session und damit die Presse auf den Plan: „Kölle Allah!”, jubelte die und „Ülüüf!”, aber dann war es nur die Satire eines Privatsenders, und aschermittwochstrübe musste man melden: Alles nur getürkt.

Aykut Akköse aber ist echt. Kann doch nicht wahr sein!, hat auch er damals gedacht, „die ticken nicht richtig”. Und trat mit sechs Freunden an zu beweisen: „Es stimmt nicht”, dass Türken Karneval nur „ohne” feiern, sondern bitte mit: Bier und Bützchen. „Jetzt erst recht”, beschlossen in Dortmund Ritter Yalcin, Clown Aytac, Zorro Hakan und die anderen und meldeten die „1. Narrenzunft Dortmund 09” sogleich beim Notar an, „sonst glaubt uns ja keiner”.

Man erfand als Logo einen Döner mit Tomaten auf den Augen nebst den Flügeln des Dortmunder Stadtadlers, und im Netz notierten sie: „Wir feiern Fastnacht mit allem, was traditionell dazu gehört.” Aykut Akköse ist ihr Vorsitzender und „das beste Beispiel”.

"Ich hab 'ne Zwiebel auf dem Kopf, ich bin ein Döner"

Denn Aykut I. ist ein Beckumer Blaublut. Lebt seit seiner Geburt vor 33 Jahren ein Münsterländer Kleinstadtleben mit Fußball, Kegeltour – und Karnevalsverein. So kam es, dass man den Unternehmer auf einem Junggesellenabschied fragte, ob er nicht Prinz sein will? Und, „rumskedi”, wie man in Beckum sagt, wenn man „helau” meint, da war er Tollität und seine Fatma eine „Tollitute”. Ein „toller Türke”, sagen die Leute bis heute.

All das geschah in der vergangenen Session, und nicht nur Beckum erinnert sich gern an diesen, nun: orientalischen Prinzen, der Kamelle warf, bis er Muskelkater hatte, und die ganze Narretei „geil” fand. Auch das türkische Fernsehen berichtete damals über Seine Türkische Tollität, dessen Einmarsch der Eurovisions-Hit einer Türkin war und dessen heimliche Hymne Tim Toupets „Ich hab 'ne Zwiebel auf dem Kopf, ich bin ein Döner”.

Ein Jahr später sind die Journalisten wieder da, sogar die englische BBC, die sogleich die drängende Frage stellte nach dem „deutschen Humor”. Aykut Akköse aber wusste nicht, „ob es da überhaupt einen Unterschied gibt”. Vielleicht seien „die Südländer lockerer”? „Man muss bei uns nicht besoffen sein, um sich zu amüsieren.” Wer aber ist jetzt „uns”, wo er doch Deutscher ist, sich so fühlt und einen Weihnachtsbaum hat?

Man kann Akköse dabei ertappen, dass er bei der Fußball-EM den Halbmond auf der Brust trägt oder dabei, dass er „türkische Landsleute” sagt. Er kann in einem Moment ungehalten werden: „Hört mir auf mit ,fremder Kultur'!” und im nächsten fröhlich verkünden: „Ich picke mir aus Beiden das Beste raus!” Er findet Funkenmariechen toll, schon weil Töchterchen Aylin dort Maskottchen ist, hat für die Jecken aber auch schon eine Bauchtänzerin eingeladen. Und als er sich verkleiden soll, wählt er zur Pappnase den Fes.

Deutsche Pappnase und türkischer Fes

„Integration gelungen. Prost!”, grüßte jemand im Internet, was deutlich freundlicher klingt als vor Wochen die rechten Reaktionen auf den vermeintlichen Verein am Rhein. Akköse aber sagt, „das hat mit Politik und Religion alles nichts zu tun”; er wundert sich wirklich, dass jetzt wieder alle von Integration reden, wo er doch bloß Karneval feiert.

Die, die sich etwas Sorgen machen wegen der „Ausländer”, die da am Rosenmontag mitmarschieren werden im Dortmunder Zug, hat der Vereinsvorsitzende beruhigt: „Ich hab' das doch schon mitgemacht.” Aylin wird wieder Kamelle werfen, obwohl sie so gern einmal selbst gesammelt hätte, und der Papa geht als Prinz. Er wird noch mehr lachen als sonst, und die Jecken werden singen, was sie immer singen, wenn der Tolle Türke kommt, und was ja zugleich eine ehrliche Botschaft ist: „Die Karawane zieht weiter.”

Informationen im Netz: www.iverein.de/Verein/1_Tuerkische_Narrenzunft_Dortmund_09_eV