Millvina Dean wachte Sonntagmorgen nicht wieder auf – sie wurde 97 Jahre alt. Als Gast auf der Titanic war sie gerade mal zwei Monate alt.

Als sie vor zwei Wochen mit einer Infektion ins Hospital kam, hofften sie, dass sich Millvina noch einmal erholen würde. Am Ende besiegte der schwache Körper den starken Geist. Millvina Dean ist tot. Und mit ihr die letzte weltliche Verbindung zur Titanic-Katastrophe. Tausende Titanic-Interessierte auf der ganzen Welt trauern seit Sonntag um die letzte Überlebende der Tragödie.

Sie war 97 Jahre alt in einem Altersheim im südenglischen Hampshire. Dass der Tag irgendwann kommen würde, wusste Günter Bäbler. Jetzt, wo es soweit ist, kann er sich nicht dran gewöhnen. Günter Bäbler ist nicht nur der anerkannteste Titanic-Historiker im deutschsprachigen Raum, er zählte auch zu den besten Freunden der Überlebenden. Dean war zwei Monate alt, als die „Titanic” 1912 auf ihrer Jungfernfahrt über den Atlantik sank.

Als das Telefon Sonntag bei ihm in Zürich klingelte, ahnte er nichts Gutes. Mit tränenerstickter Stimme setzte ihn Bruno Nordmanis, Millvinas langjähriger Lebensgefährte, in Kenntnis: Sie wachte Sonntagmorgen einfach nicht mehr auf. Einen schöneren Tod gibt es nicht. Schon gar nicht mit 97. „Und doch muss ich das erstmal verarbeiten”, sagte Bäbler unserer Zeitung. Denn am Tod von Millvina hängt mehr. Es ist nicht einfach nur eine alte Dame, die sanft entschlummerte. Es ist die letzte Überlebende der Titanic-Katastrophe. Weltweit von den Titanic-Interessierten verehrt – auch von den 300 Mitgliedern des Titanic Informations Center Deutschland e.V. „Wir sind tief bestürzt”, betonte der Vorsitzende Malte Fiebing gestern.

Im Titanic Verein Schweiz besaß sie die Ehrenmitgliedschaft. Gemeinsam sind es viele tausend Titanic-Interessierte, für die eine neue Zeitrechnung angebrochen ist. „Nun ist die Titanic endgültig nur noch Geschichte, so Bäbler.

Millvina erzählte viel und gerne. Dass sie Prince Charles einen Korb gab, als er sie 1997 zur königlichen Premiere von Camerons Titanic einlud. Sie aber wollte den Film nicht sehen. „Beim Anblick des sin-kenden Schiffes, würde ich in Tränen ausbrechen”, sagte sie damals. Bis zu ihrem Tod war sie im Kopf hellwach.

Fiebing blickt auf ein Foto, das 2002 mit Millvina auf seinem Balkon in Ludwigsburg entstand. Stilecht mit einer reproduzierten Tasse aus dem Speisesaal der Ersten Klasse. Damals kam sie zu einem Treffen nach Deutschland. Solche Aufnahmen haben Seltenheitswert. Ebenso wie Auto-gramme der alten Dame, die nun wohl überteuert in Internetkaufhäusern angeboten werden. Noch liegen sie bei 25 Dollar pro Stück.