Essen. Gewalt und blutige Auseinandersetzungen überschatten die jüngere Geschichte des Fußballs. Aber es gibt große Unterschiede zwischen Kuttenfans, Ultras und Hooligans
Das Brüsseler Heysel-Stadion bildet den weltweit beachteten Anfang, der Fall Nivel die Fortsetzung, und der vergangene Sonntag mit dem Tod eines Fußballfans in Italien den vorläufigen Schlusspunkt: Der europäische Fußball hat dunkle Stunden erlebt. Und die Reaktionen der Medien auf solche Vorkommnisse sind in der Regel reflexhaft: Brennt im Stadion ein bengalisches Feuer, werden aus Fans "so genannte Fans", ist schnell von Hooligans und Ultras die Rede. Aber was ist was? Was will wer? Hier steht's.
Kuttenfans Die Jeansjacke ohne Ärmel, darunter das Trikot, darüber Schals, und auf der Jacke tausende S 04/BVB/XYZ-Aufnäher, die Vereins-Zugehörigkeit und -Abneigungen zeigen. "Der Kuttenfan macht in der Woche seinen Job, und am Wochenende geht er zum Fußball. Er guckt sich das Spiel an und entscheidet dann, ob er seine Mannschaft unterstützen soll", erklärt Dirk Michalowski, seit zehn Jahren Fanbeauftragter des VfL Bochum.
Hooligans Die Herkunft des Begriffes - ob aus Irland, England oder Russland - ist ungeklärt, die Bedeutungen jedoch ähneln sich sehr: Es geht um Prügel, Randalieren, um das Wildsein, um "Raufbolde". Bekannt geworden ist das Phänomen in England, hauptsächlich bei Fußballspielen.
"Hooligans sind Fans des Vereins", erklärt Michalowski, "die aber nach dem Spiel den besonderen Kick in der dritten Halbzeit suchen." Möglichst geheim verabreden sich Hooligan-Gruppen, um dann gewaltsam den Stärkeren zu ermitteln. Eigentlich gilt der Kodex, keine Waffen zu verwenden, in gleicher Gruppenstärke anzutreten und keine Unbeteiligten in die Auseinandersetzung einzubeziehen. Ausnahmen gehören zu dieser Regel.
Ultras Die Maxime der Ultras: Immer und überall alles für die eigene Mannschaft. "Allein akustisch und optisch setzen sich die Ultras von den anderen Gruppierungen ab", erklärt Michalowski. Die Ultras bereiten manchmal wochenlang Choreographien vor. Zu diesen gehören etliche kleine und oft wenige riesige Fahnen, allerdings häufig auch "Bengalos", die in deutschen Stadien - und hier liegt für den Bochumer ein wichtiger Unterschied zu den Nachbarländern - verboten sind. "Die Ultras ecken immer wieder mit der Polizei und den Klubs an", beschreibt der 36-Jährige.
" . . . man will keine Fans, die aktiv am Spiel teilhaben, man will die Art von Zuschauer, die man in einem Kino oder einem Theater antrifft. Diese Menschen verstehen nicht, dass Fußball unser Leben ist, dass wir für unseren Verein leben, dass wir unsere Schals und unsere Kleidung tragen, die unsere Stadt oder Region repräsentiert."
Aus den Zukunftsvisionen der Ultras des AS Rom Die Schwierigkeiten mit Ultras und Hooligans und der Mischform "Hooltras" - den Begriff benutzt Fan-Forscher Gunter Pilz für gewaltbereite Ultras - bekommt auch Michalowski zu spüren. Vor allem, seit er vor viereinhalb Jahren vom VfL Bochum angestellt worden ist. "Oft genug war ich der Buhmann. Aber es gibt Grenzen, da ist Schluss."
Zu Michalowskis Aufgaben zählt es, bei Stadionverboten zwischen dem Verein, dem Betroffenen und den Sicherheitsbehörden zu vermitteln. Verhältnisse wie beispielsweise in Italien hält er hier allerdings für undenkbar. "Im Hinblick auf die WM in Deutschland haben sich die Sicherheitsbehörden vorbereitet", sagt Michalowski - deswegen sei die Zahl der Stadionverbote auch angestiegen. "Ob man das gut oder schlecht findet, sei dahingestellt."
Für seine Kollegen und sich selbst bricht er eine Lanze: "Nicht zu unterschätzen ist die Arbeit der Fanbeauftragten", sagt der VfL-Mann, "wir können die Stimmungen unter den Fans im Vorfeld abklopfen."
Einen Nebeneffekt haben die Stadionverbote mit sich gebracht. Weil die Verbote nur in den oberen Ligen durchgesetzt werden, weichen Problem-Fans vermehrt auf Spiele der Reserve- oder Jugendmannschaften aus. Michalowski: "Wenn bei einem Spiel der A-Jugend Hundertschaften anrücken, muss man sich schon hinterfragen."