Kabul. Die USA wollen mit gemäßigten Taliban-Vertretern verhandeln, doch wer gilt als möglicher Gespächspartner? Es ist leicht, von Verhandlungen zu sprechen, doch äußerst problematisch, sie tatsächlich zu führen.

Nun will also auch US-Präsident Barack Obama mit gemäßigten Vertretern der Talibanmilizen reden. Die Einsicht, dass ein Dialog mit Teilen der Bewegung am Hindukusch und in Pakistan helfen könnten, die bis zum Jahr 2001 den El-Kaida-Chef Osama bin Laden beherbergten, zeugt zumindest davon, dass in Washington ein gewisser politischer Realismus eingezogen ist. Denn ein Ende des Krieges am Hindukusch kann es nur geben, wenn zumindest ein Teil der radikalislamischen Milizen politisch integriert wird.

Fronten verhärtet

Das ist keine neue Erkenntnis. Kurt Beck, damals noch SPD-Bundesvorsitzender, propagierte den Dialog schon nach einem Afghanistan-Besuch im Jahr 2007 und wurde von der CDU ob dieser Äußerung geprügelt. Dabei liegt ein solcher Dialog nicht nur auf der Hand, er macht auch jede Menge politischen Sinn. Denn selbst wenn auch nur eine kleine Gruppe der Regierungsgegner überzeugt werden könnte, wäre schon viel gewonnen.

Es gibt freilich einige Probleme. Man muss diese gemäßigten Vertreter nicht nur identifizieren, sondern auch finden. Die Fronten sind gegenwärtig absolut verhärtet. Außerdem hat die Brutalität der Extremisten solche Ausmaße angenommen, dass jeder um sein Leben fürchten muss, der ausscheren will. Und Obama musste zugegeben, dass die Nato sich beim Krieg am Hindukusch derzeit nicht auf der Gewinnerstraße befindet. Wenn es aber derzeit aufwärts geht für die Taliban, warum sollte dann auch nur ein Teil von ihnen zu Verhandlungen bereit sein?

Radikale Gotteskrieger

Es stellt sich im Falle eines Dialogs – und einer möglichen Vereinbarung – freilich auch die Frage nach der berühmten „Roten Linie”. Die Talibanmilizen stehen für ein Gesellschaftsmodell nach fundamentalistischen Prinzipien. Für die Mullahs, die die Bewegung führen, bedeutet das beispielsweise: Keine Schulen für Mädchen.

Das ist nicht nur für jede Regierung in Berlin schwierig zu schlucken. Man kann sich auch kaum vorstellen, dass Barack Obama bereit ist, solche Vorstellungen zu akzeptieren. Andererseits gibt es in den meisten Konfliktgebieten Afghanistans längst keinen Schulunterricht für Mädchen mehr. Die Eltern fürchten schlicht um das Leben ihrer Kinder und schicken sie deswegen gar nicht erst zur Schule.

Dennoch sollte man den Dialog suchen. Denn selbst in Afghanistan können viele Bewohner auf dem Land herzlich wenig mit den so genannten „neuen Taliban” anfangen. Das sind die jungen, aufs Äußerste radikalisierten Gotteskrieger, die aus den Mädressen im Grenzgebiet zum Nachbarn Pakistan kommen. Sie sind überzeugt, dass die Nato die Afghanen zwingt, sich die Bärte abzurasieren und Frauen den Gebrauch der Burka untersagt.

Es gibt eine ganze Reihe von Afghanen, vor allem beim Paschtunenstamm der Ghilzai, die solche radikalen Taliban nur mit zusammengebissenen Zähnen ertragen. Sie wären sicher für jeden Dialog sehr offen und könnten mit wenig Überzeugungskraft – und einer Menge mehr an Sicherheitsmaßnahmen als gegenwärtig – für einen Dialog gewonnen werden.

Doch dafür muss sich auch bei den westlichen Alliierten und in Kabul einiges ändern. Zuerst müssen sie aufhören, die Ghilzai systematisch zu diskriminieren, nur weil Taliban-Chef Mullah Omar zu diesem Stamm gehört.

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