Wenige Stunden nach dem TV-Auftritt, der ein Märchen mit dem Happy-End krönen sollte, erlitt Susan Boyle einen Nervenzusammenbruch und wurde in eine Londoner Klinik eingeliefert.

Zu Susan Boyles Bewunderern zählen sich der britische Premierminister Gordon Brown, die Hollywood-Schauspielerin Demi Moore und Barack Obama. Mehr als hundert Millionen Menschen haben sie bereits auf der Internet-Plattform YouTube bewundert, und vor der Schlichtwohnung im schottischen Blackburn balgten sich allein in der letzten Woche mehr als 100 TV-Teams aus aller Welt um ein Interview.

Vielleicht war das am Ende dann doch ein bisschen zu viel Getöse für eine Frau, deren Leben sich zuvor an einer abgebrochenen Kochlehre und dem Gemeindechor orientiert hatte, und die wegen einer Lernbehinderung in der Schule „Susie Simple” beschimpft wurde. Wenige Stunden nach dem TV-Auftritt, der ein Märchen mit dem Happy-End krönen sollte, erlitt Susan Boyle einen Nervenzusammenbruch und wurde in eine Londoner Klinik eingeliefert.

Die letzten Bilder zeigen eine verängstigte Frau auf dem Rücksitz einer Limousine, die sich mit einem riesigen Blumenstrauß vor den Blitzlichtern zu verstecken sucht.

Der Traum vom Aschenputtel, das sich mit der Macht der Musik aus seinem tristen Alltag befreit, war schon in den Tagen zuvor zerbrochen. Susan Boyle habe sich zuletzt „ein wenig merkwürdig” verhalten, heißt es jetzt. Von Wut-ausbrüchen wird getuschelt, auch von hässlichen Schimpftiraden, die unvermittelt von albernen Tanzeinlagen abgelöst wurden. Nach ihrer Niederlage im Finale der Casting-Show „Britain's got Talent” ließ sich der Absturz endgültig nicht mehr verheimlichen. „Ich hasse diese Show”, soll Susan Boyle immer wieder gerufen haben. Als ein Techniker sie beruhigen wollte, vertrieb sie ihn angeblich mit einem Eimer Wasser, und noch am Sonntag Abend wurde sie in die „Priory” eingeliefert.

Der Einzug in eine Londoner Privatklinik, der sich auch Pete Doherty oder Amy Winehouse anvertrauen, passt gut in die Geschichte einer Frau, die mit rasantem Tempo eine gewaltige Medienmaschine in Gang setzte und sich dabei selbst verlor.

„Paula Potts” ist geboren, jubelte die Nation nach ihrem ersten TV-Auftritt vor wenigen Wochen, in Anspielung auf den ehemaligen Handy-Verkäufer, der die letzte Talent-Show als Sprungbrett für eine Weltkarriere genutzt hatte. Auch Deutschland lag Paul Potts zu Füßen, spätestens als ein TV-Spot den tränentreibenden Auftritt für die Werbung nutzte.

Susan Boyle schien ähnlich zu funktionieren. Keine schiefen Zähne und Hamsterbacken wie der Vorgänger, dafür Augenbrauen wie zwei Raupen und ein Damenbart, der die Schlagzeilenschnitzer zum Spitznamen „Hairy Angel” inspirierte. Das Rezept erklärt ein Medienforscher mit dem brutalen Satz: Wenn einer so aussieht, erwarten die Leute natürlich, dass er quakt wie eine Ente. Das tut Susan Boyle nun wiederum nicht. Wie ein Engel, mit glockenhellem Gesang, intonierte sie den Song „I dreamed a Dream” aus dem Musical „Les Miserables” und rührte Publikum und Jury der Casting-Show zu Tränen.

Mindestens zehn Millionen Euro würde Susan demnächst verdienen, prophezeite Jury-Chef Simon Cowell daraufhin, ein knallharter Show-Profi, gegen den Dieter Bohlen wie ein gütiger Seelsorger wirkt. Der Vertrag war wohl schon aufgesetzt, die Termine für eine erste Tournee geplant, die ganze Welt schaute auf das Finale der Talent-Show, in dem der „Hairy Angel” endgültig gen Himmel fahren sollte.

19 Millionen Briten saßen am Samstag vor den Fernsehschirmen, soviel wie seit fünf Jahren nicht mehr. Vier Millionen stimmten per Telefon ab. Am Ende gewann eine Tanztruppe. Susan Boyle wurde Zweite, knapp vor einem jungen Mann mit einem Saxofon.

Warum Susan verlor, wird noch diskutiert. Ihr Auftritt war nicht so brillant wie sonst, heißt es ein wenig ratlos. Eigentlich kann sie gar nicht so gut singen, klingt es durch. Vielleicht wird das Verfallsdatum für Aschenputtel aber auch einfach schneller überschritten.