Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte das Feldlager der Bundeswehr in Kundus am Montagvormittag erst vor wenigen Minuten verlassen, als zwei Raketen einschlugen. Sie gingen außerhalb des Lagers nieder und richteten keinen Schaden an.
Dennoch zeigen die Angriffe einmal mehr, dass die Sicherheitslage sich auch im Norden Afghanistans massiv verschärft hat. Bereits am Sonntag hatten nach Angaben des Verteidigungsministeriums mehrere Raketen das Lager verfehlt, und ein Panzerfahrzeug wurde bei einem Sprengstoffanschlag stark beschädigt.
Tailban-Bekenntnis gilt als nicht sehr glaubwürdig
Wegen der Bedrohung war Merkels Reise bis zum letzten Moment geheim gehalten worden. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wurde erst am Sonntag unterrichtet. „Spiegel Online” meldete, dass der Sprecher der radikal-islamischen Taliban, Sabihullah Mudschahed, mitgeteilt habe, der Beschuss sei eine „gezielte Attacke auf Angela Merkel” gewesen. Allerdings gilt er als nicht sehr glaubwürdig und sprach von einem Angriff auf den Flughafen in der Nähe des Feldlagers.
In Begleitung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) besucht Merkel bis Dienstag unter strengen Sicherheitsvorkehrungen Soldatinnen und Soldaten. Im Feldlager in Kundus, in dem 700 Soldaten stationiert sind, wurde sie mit den Worten zitiert: „Es gibt Hoffnung.” Die Sicherheitslage müsse aber weiter verbessert werden. Dem Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte komme große Bedeutung zu. Zwanzig Minuten später flogen die Raketen.
Ziviler Aufbau soll genau so wichtig wie der Militäreinsatz sein
Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg informierte in Berlin über die zweite Reise der Kanzlerin nach Afghanistan – kurz nach dem Nato-Gipfel in Frankreich und Deutschland, bei dem die Allianz ihre Strategie für Afghanistan neu bestimmt hat. „Der Nato-Gipfel in der vergangenen Woche hat deutlich gemacht, dass das Konzept der vernetzten Sicherheit, das die Bundesregierung seit Jahren verfolgt, großen Zuspruch erhält”, sagte Steg. Die Partner orientierten sich nun ebenfalls an diesem Ansatz.
Die Nato-Mitglieder hatten sich darauf verständigt, für die Stabilisierung des Landes den zivilen Aufbau künftig gleichwertig mit militärischen Einsätzen zu verfolgen. Laut Steg will die Kanzlerin sich im Gespräch mit Soldaten ein Bild über die Sicherheitslage machen und sich Projekte für den zivilen Wiederaufbau ansehen. In Kundus besuchte Merkel den Ehrenhain, der an acht im Einsatz ums Leben gekommene Soldaten erinnert, bevor sie zum Bundeswehr-Hauptquartier in Masar-i-Scharif aufbrach.
Ehegesetz angesprochen
Politische Gespräche sind nicht geplant. Die Kanzlerin hat nach Stegs Angaben am Sonntag mit Afghanistans Präsidenten Hamid Karsai telefoniert, um ihm von den Diskussionen beim Nato-Gipfel zu berichten.
Merkel habe auch das umstrittene Ehegesetz angesprochen, das die sexuelle Nötigung von Ehefrauen erlaubt. Dabei habe die Kanzlerin noch einmal betont, dass Männern und Frauen die gleichen Rechte zustünden.