Drei Fragen zur Enttarnung von Karl-Heinz Kurras als Stasi-Agent an Prof. Jörn Rüsen, Historiker am Kulturwissenschaftlichen Institut, Essen
Muss nach der Kurras-Enttarnung die BRD-Geschichte umgeschrieben werden?
Rüsen: Nein. Dem Fall kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Kurras hat ja, soweit wir wissen, nicht im Auftrag der Stasi geschossen. Aber der Vorfall macht die inneren Verstrickungen von Bundesrepublik und DDR deutlich. Die Bereitschaft, mit der Stasi zu kooperieren, war verbreitet, ebenso wie in der Nazizeit mit dem NS-Regime.
Manche sehen bereits die gesamte Linke der 60er-Jahre Stasi-unterwandert.
Die 68er allgemein als ostgesteuert zu sehen, ist falsch. Man kann nicht eine linke Tradition diskreditieren, wenn man dazu auch Leute wie Willy Brandt zählt. Das wäre absurd. Doch mit Blick auf die Partei Die Linke muss gelegentlich deutlich gesagt werden, was für ein inhumanes System die DDR war.
Was lehrt uns der Fall?
Er kann dazu dienen, ein Stück der kritischen Grundhaltung gegenüber den Gefahren der Demokratie wieder stark zu machen.