Essen. Reproduktionsmediziner machen Seniorinnen zu Müttern. Im Labor werden Eizellen und Spermien künstlich hergestellt. Am Freitag, 13. März, zeigt Arte die verstörende Dokumentation „Die Kindermacher”.

Carmen Bousada ist Mutter eines zweijährigen Zwillingpaares. Ihr Gesicht ist vom Leben gezeichnet, und wenn sie den Kinderwagen schiebt, sind ihre Bewegungen hölzern, der Rücken nicht mehr gerade. Die Spanierin hat nie geheiratet, pflegte die eigene Mutter, bis diese mit 105 Jahren starb. Jahrzehntelang sehnte sich Bousada nach Nachwuchs. Sie war 67, als sie die beiden Söhne gebar. Der Einsatz von 42 000 Euro machte sie zur ältesten Mutter der westlichen Welt.

Schon die ersten Minuten der Dokumentation „Die Kindermacher – von künstlichem Sperma und greisen Müttern”, die Arte am Freitag, 13. März, um 19 Uhr ausstrahlt, lassen Skepsis aufkommen, ob all das, was technisch möglich ist, auch sein sollte. Die Fälle von spätem Mutterglück haben sich in den letzten Jahren gehäuft, heißt es da. Mittlerweile verdanken über eine Million Kinder ihr Leben dem Reagenzglas.

Kinder machen – nie zuvor kam die Realität dem Ausdruck so nahe. Die Dokumentation präsentiert nüchtern und mit kritischer Distanz einen medizinischen Superlativ nach dem nächsten, zeigt Wissenschaftler und Eltern, die Natur Natur sein lassen.

Hormonbehandlungen für Zehntausende Dollar

Das Pacific Fertility Center in Los Angeles ist einer jener magischen Orte, die man in Deutschland vergeblich sucht. In Zusammenarbeit mit einer Eizellen-Spenderbank werden in der Fruchtbarkeitsklinik intensive Hormonbehand-lungen durchgeführt – mit Spenderinnen und Empfängerinnen.

Schnell wird klar, das Geschäft mit hoffnungsvollen Frauen jenseits der Menopause ist lukrativ. Zwischen 5000 und 40.000 Dollar kosten die Eizellen, abhängig davon, ob die Spenderin Studentin oder Karrierefrau ist.

Wer darf über das Leben bestimmen?

Eigenen Kindern mit fremden Genen Leben schenken, im Alter von 55 Jahren soll damit gemäß Klinikleitlinie Schluss sein. Niemand kontrolliert. Auch Carmen Bousada hat sich zehn Jahre jünger gemogelt. Was sind die Motive dieser Frauen, die Mutter werden, aber vielleicht nicht lang Mutter sein können? Einsamkeit? Endlich „gebraucht werden”? Wer darf über das Leben von Kindern bestimmen: Staat, Gesellschaft oder Eltern? Vielleicht Mütter allein?

Die Dokumentation wirft viele Fragen auf und gibt Antworten auf Fragen, die sich keiner zu stellen traute. Künstliches Sperma, gewonnen aus Zellen, die wieder zu Stamm-, zu Basiszellen zurückprogrammiert wurden? Bei Nagetieren ist das im Labor bereits gelungen. Eizellen, zu deren Herstellung man nur Hautzellen, eine Blutprobe braucht? Die Möglichkeiten, die sich auftun, sind kaum zu ermessen. Die Folgen ebenso wenig.

Gebärmutter im Labor hergestellt

In China habe man eine Gebärmutter im Labor herstellen können, berichtet ein englischer Reproduktionsmediziner. Für Kinder brauche man bald „vielleicht nicht einmal mehr Frauen”, fügt er mit zynischem Grinsen hinzu. Das Zitat aus Aldous Huxleys Roman „Schöne neue Welt” sitzt. Die 45-minütige Dokumentation ist faszinierend, verstörend und sehr sehenswert.

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