Essen. Mark Ewald unterrichtet Physik an einem Hagener Gymnasium. Inzwischen hat er diesen Beruf sogar studiert. Physiklehrer geworden ist Ewald als Quereinsteiger. Über sich selbst sagt er: "Ich bin nicht der perfekte Lehrer. Ich kann noch viel lernen, werde aber auch immer besser."

54 Prozent aller Referendare im Fach Physik an Gymnasien in NRW sind Quereinsteiger ohne Lehramtsstudium. Dieses Ergebnis einer von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) mitfinanzierten Studie bereitet Didaktik-Experten Sorgen: „Es ist die Frage, ob es nicht besser ist, Unterricht ausfallen zu lassen, als ihn von Leuten erteilen zu lassen, die keine Lehrer sind”, sagt Dr. Friederike Korneck vom Institut für Didaktik der Physik an der Uni Frankfurt. Sie hat die Studie durchgeführt.

Sein Text reichte nur für 20 Minuten

Mark Ewald, 33, aus Hagen ist ein solcher Quereinsteiger, den Korneck und auch die DPG nicht allzu gerne vor Schulklassen sehen. Ewald empört sich darüber nicht, im Gegenteil: „Für manche Fälle würde ich das unterschreiben.” Er meint Kollegen, die völlig überfordert mit Schülern und Didaktik sind. Über sich selbst sagt Ewald: „Ich bin nicht der perfekte Lehrer. Ich kann noch viel lernen, werde aber auch immer besser.”

Nach seinem Physik-Diplom in Heidelberg war die Jobsuche schwierig („Mein Diplom war nicht überragend.”). Er hörte, dass ein Gymnasium in Heidelberg eine Vertretung für einen kranken Lehrer suchte. Ein Anruf, ein Gespräch mit dem Schulleiter – und schon war Ewald selbst Aushilfslehrer. Am nächsten Tag sollte er wiederkommen, eine Woche mit dem Kollegen mitlaufen. Der kam schnell auf die Idee, Ewald könnte doch mal eine Probestunde machen. „Habe ich dann auch gemacht – es war katastrophal. Alles, was schieflaufen konnte, lief schief.” Er hielt eine Vorlesung, statt Unterricht zu machen. „Aber mein Text reichte nur für 20 Minuten.”

Bis die Beschwerden der Eltern kamen

Der echte Lehrer griff nicht ein, Ewald sollte die Situation alleine meistern. Doch er wusste nicht wie. „Ich war ja in keiner Schule mehr seit meinem Abi.” Mancher Pausengong ist für Lehrer erlösender als Schüler.

Ewald unterrichtete weiter, bald auch Mathematik. „Man ging stillschweigend davon aus: Wer Physik studiert hat, kann auch Mathe”, sagt er. Im Vordiplom hatte er vier Semester Mathematik studierte. Eine didaktische Anleitung, wie Unterricht zu gestalten ist, bekam er nicht. „Bis dann die Beschwerden der Eltern kamen – direkt beim Schulleiter.” Dann schauten die Kollegen über seine Unterrichtsentwürfe und gaben unter anderem die Tipps, öfter Schüler dranzunehmen und auch mal einen Projektor zu benutzen.

Trotzdem war Ewald mit seinem Unterricht unzufrieden: zu viel Leerlauf plus keine klaren Aufgaben für die Schüler gleich unruhige Klassen. Doch er gab nicht auf, sondern nahm die Herausforderung an. Auch weil ihm das Arbeitsklima gefiel, die Kollegen nett waren: „Bis auf den Unterricht war alles sehr schön.” Außerdem sah er eine verlockende Perspektive: Beamter auf Lebenszeit.

Nach einem halben Jahr lief der Vertrag in Heidelberg aus. Ewald ging zurück in seine Heimatstadt Hagen und arbeitete wieder 18 Monate lang als Aushilfslehrer am Theodor-Heuss-Gymnasium. Danach ging er ins Referendariat und bekam nach zwei Jahren als Lehrer endlich selbst Unterricht: im Fach Didaktik. Aber nicht allzu viel. Fünf Monate lang alle zwei Wochen jeweils drei Stunden für Physik und Mathe. Er traf dort auf Seinesgleichen. „In meinem Physik-Seminar gab es anfangs keinen einzigen Lehramtsstudenten – nur Quereinsteiger.” Kein Wunder: An der Ruhr-Uni Bochum zum Beispiel beenden 2009 weniger als zehn Physik-Lehramtsstudenten ihr Studium.

Mark Ewald hat im Juni 2008 sein 2. Staatsexamen abgelegt, einen Monat später fing er als ausgebildeter Lehrer an. Wieder am Theodor-Heuss-Gymnasium in Hagen. „Ich konnte mir die Schule aussuchen”, sagt er. Bis zum Ende des Schuljahres ist er nun Beamter auf Probe. Schreibt sein Schulleiter dann ein positives Gutachten, wird Ewald Beamter auf Lebenszeit, unkündbar. Mit eben dieser Aussicht auf Verbeamtung wirbt NRW um Lehrer bis 35 Jahre. Mark Ewald wird beneidet: „Ein selbstständiger Bekannter von mir beglückwünscht mich jedes Mal, wenn wir uns sehen.”

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