Rom. Wütende Proteste und ein Generalstreik auf Lampedusa richten sich gegen Pläne der römischen Regierung, ein zweites Auffangzentrum für Flüchtlinge zu errichten. Die Einwohner sorgen sich um den Tourismus.
Mittags rollten sie ihre Streiktransparente ein und zogen im Schweigemarsch zum Strand. Sie warfen Blumen und einen Kranz ins Wasser, wie bei einer Seebeerdigung. Eine symbolische Geste für alle, die im Meer um die Insel Lampedusa – 206 Kilometer südlich von Sizilien – in den letzten Jahren ertrunken sind.
Es waren Fischer und Menschenretter, vor allem aber hunderte, vielleicht tausende an Bootsflüchtlingen. Genaue sind Zahlen unbekannt, die Dunkelziffer ist hoch. Alle kamen von Nordafrika auf dem Weg nach Lampedusa; es ist der erste Zipfel der Europäischen Union.
Zweites Auffangzentrum wird gebaut
An diesem Dienstag traten die Inselbewohner in einen Generalstreik. Der Protest richtete sich gegen die Pläne der Regierung Berlusconi. Die Einwohner wollen nicht, dass Lampedusa zur „Endstation Sehnsucht” für Zuwanderungswillige werden. Und das forderten die Insulaner sogar im Einklang mit illegalen Einwanderern. Ein zweites Auffangzentrum entsteht nämlich gerade auf der kleinen 20-Quadratkilometer-Insel. „Daher lehnen wir uns gegen Innenminister Roberto Maroni auf”, erklärte Inselbürgermeister Dino de Rubeis.
Die Bewohner befürchten, dass dann noch mehr Urlauber als bisher ausbleiben werden. Und die Flüchtlinge sorgen sich, weil die meisten von ihnen dann gleich von Lampedusa aus wieder nach Hause geschickt werden sollen. Genau das hat Innenminister Maroni von der ausländerfeindlichen Lega Nord vor.
Auffangzentrum völlig überbelegt
Bisher war Lampedusa nur Durchgangsstation. Flüchtlinge erhielten dort Soforthilfe nach oft stürmischer Seeüberfahrt, wurden dann in andere Zentren auf dem italienischen Festland zur Identifizierung verlegt. Etlichen gelang aus jenen Unterkünften die Flucht und die heimliche Weiterfahrt auch in andere EU-Nationen.
Doch jetzt sollen alle, so will es Rom, auf Lampedusa bleiben, bis sie identifiziert sind und damit ihr weiteres Schicksal geklärt sein wird. Abschub in die Heimat bedeutet das für die Mehrzahl, gleich von Lampedusa aus. Fluchthmöglichkeiten? Fast ausgeschlossen. „Wir werden Gefängnisinsel”, empören sich Insulaner.
Seit Tagen rumorte es bereits. Am Samstag waren hunderte Flüchtlinge aus dem Auffangzentrum ausgebrochen und hatten gegen die Missstände ihrer Unterbringung protestiert. „Wir wollen Freiheit, Berlusconi”, riefen sie. Der Komplex fasst eigentlich nur 850 Personen, doch über 2000 mussten sich Zimmer und Pritschen teilen oder im Hof in Plastikfolie gepackt schlafen. Flüchtlingsorganisation protestierten bereits massiv gegen jene „unmenschlichen Zustände”.
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