Der grüne Gewerkschaftsboss fordert höhere Steuern auf Vermögen und Managergehälter und rechnet mit der rot-grünen Steuerpolitik ab
Stellen Sie sich vor, Sie wären ein erfolgreicher Manager. Würden Sie in Deutschland bleiben, wenn Sie 80 Prozent Steuern zahlen müssten?
Bsirske: Wir hatten unter Kohl einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent. Hatten wir da Sozialismus? In den USA sind in den 30er-Jahren Vermögen und Spitzeneinkommen mit bis zu 80 Prozent besteuert worden. Hatten wir etwa Sozialismus in den USA? Man muss doch mal die Verhältnisse zurechtrücken. FDP-Chef Westerwelle hat unlängst gesagt, es wäre eine Wohltat, wenn die Enteignung durch die Erbschaftsteuer beseitigt würde. Das ist so dumm wie dreist, aber typisch für einen krassen Lobbyismus zu Gunsten der Kapitalbesitzer.
Wir befinden uns aber nicht im Amerika der 30er-Jahre.
Aber wir diskutieren über maßlose Managergehälter. Ein erster Schritt wäre, dass Vorstandsbezüge nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden können. Wenn sie danach immer noch ausufern, könnte man alles, was über zwei Millionen Euro liegt, mit 80 Prozent besteuern. Das wäre ein handfester Beitrag zur Bewältigung der gesellschaftlichen Zukunftsaufgaben. Wir müssen auch nicht befürchten, dass die Vorstände deshalb am Hungertuch nagen.
Reicht es, mit den gierigen Managern abzurechnen, um aus der Krise zu kommen?
Nein, natürlich nicht. Wir erleben den Bankrott eines politischen Leitbildes, das allein auf das Vertrauen in die Kräfte des Marktes setzte. Dieses Credo der Thatchers, Reagans und Westerwelles ist gnadenlos gescheitert. Jetzt gilt es, die Konsequenzen zu ziehen. Es muss den Banken geholfen werden, aber nicht ohne Gegenleistung. Wo der Staat hilft, muss er Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen, damit das Zocken aufhört. Wir können nicht die Commerzbank mit Milliarden retten, aber sagen, was ihr anschließend macht, interessiert uns nicht weiter.
25-Prozent-Renditen sind ja längst verpönt. Die Commerzbank wäre froh, überhaupt Rendite zu haben.
Solche Ziele schaffen Anspruchs-Pyramiden, die uns erst in diese Finanzkrise gebracht haben. Wenn wir das jetzt wieder tun, ist nichts gelernt worden. Nur, dass die Steuerzahler die Lasten tragen. Deshalb brauchen wir eine massive Regulierung der Finanzmärkte. Dazu zählt auch eine Finanztransaktionssteuer, die Schluss macht mit der Praxis, dass auf alle Geschäfte Steuern gezahlt werden, nur für Transaktionen an den Börsen nicht. Darüber hinaus brauchen wir jetzt eine konjunkturelle Stützung in ganz anderem Ausmaß als bisher.
Sie meinen noch mehr
öffentliche Investitionen?
Es gibt einen großen Handlungsbedarf für Investitionen in Bildung, Umwelt und öffentliche Infrastruktur. Das Konjunkturpaket II war bereits im Januar unterdimensioniert. Wenn die Prognosen sich seitdem um den Faktor drei verschlechtert haben, muss man dringend mehr tun, um zu verhindern, dass sich diese Krise zur Depression auswächst. Deshalb fordern wir ein drittes Konjunkturpaket im Volumen von 100 Mrd. Euro zur Sicherung und Schaffung von zwei Millionen Arbeitsplätzen.
Es steigen auch die Prognosen für die Neuverschuldung. Woher soll das Geld für ein Konjunkturpaket III kommen?
Langfristig darf das nicht über hemmungslose Neuverschuldung finanziert werden, sondern über eine Stärkung der öffentlichen Einnahmen. Die Frage ist doch, wer zahlt die Zeche? Bis jetzt zahlen Kurzarbeiter, Leiharbeiter, befristet Beschäftigte und Auszubildende, die nicht übernommen werden, die Zeche. Das kann's ja wohl nicht sein. Die Profiteure des Casinobetriebs müssen viel stärker zur Bewältigung der Krise herangezogen werden. Durch Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine deutlich höhere Besteuerung großer Erbschaften. Wir sind eine Steueroase, was die großen Vermögen angeht.
Sie wollen Deutschland auf die schwarze Liste der Steueroasen setzen?
Bsirske (lacht): Na ja, also bei den Unternehmenssteuern und dem Höchstsatz der Einkommensteuer sind wir ein Niedrigsteuerland in der EU.
Das hat Ihre Partei (Grüne) mit der SPD geschafft.
Da gebe ich Ihnen Recht. Die Steuerpolitik nach 2000 war ein systematisches Bereicherungsprogramm für Kapitalbesitzer. Die Quittung bekommen wir in Gestalt einer chronischen Unterfinanzierung der staatlichen Haushalte und immer größeren Defiziten in der Bildung und Infrastruktur. Wenn wir auf das Durchschnittsniveau der Steuer- und Abgabenbelastung der 15 alten EU-Länder aufschließen würden, hätten wir Mehreinnahmen der Sozialkassen und der öffentlichen Haushalte um 90 bis 100 Milliarden Euro.