Essen. Der Chef des Branchenverbandes Bitkom, Bernhard Rohleder, sieht in der schwierigen allgemeinen Wirtschaftslage große Chancen für seine Branche – mit Videokonferenzen statt Dienstreisen.
Viele Branchen ächzen unter der Finanzkrise. Bitkom hingegen sieht für die IT-Branche darin eine Chance. Warum?
Rohleder: Gerade in Krisensituationen können IT-Firmeneinen Betrag leisten, dass andere Unternehmen die Schwächephase besser überstehen. IT-Lösungen helfen bei der Kostensenkung und Leistungssteigerung. Das führt etwa im Outsourcing-Markt zu einem ansehnlichen Wachstum von sieben Prozent in diesem Jahr.
Firmen können also mit Hilfe der IT-Branche bares Geld sparen. Sprechen wir hier nicht von Peanuts?
Rohleder: Im Gegenteil. Nehmen wir etwa die Green IT. Wenn sie ein altes IT-Rechenzentrum durch ein neues ersetzen, haben sich die Kosten durch Energieeinsparungen in einigen Fällen schon nach zwei Jahren amortisiert.
In der Kommunikation unter den Mitarbeitern kann man enorm viel einsparen durch die Einrichtung von Telearbeitsplätzen. Es gibt im Moment einen Run auf Videokonferenzsysteme, um Reisekosten zu sparen. Hier amortisieren sich die Kosten nach einem halben Jahr. Gerade international agierende Konzerne kaufen derzeit solche Systeme.
Wie hoch sind die Kosten, wie hoch die Einsparungen?
Rohleder: Ein Videokonferenzsystem kostet zwischen wenigen 1000 bis hin zu 300 000 Euro. Die Einsparungen hängen davon ab, wie intensiv ein Betrieb ein solches System nutzt und wie viele Dienstreisen dadurch entfallen.
Leidet die Informations- und Telekommunikation-Branche (ITK) derzeit unter einer Krediklemme?
Rohleder: Das hängt von der einzelnen Firma ab. Ein Drittel meldet heute über höhere Finanzierungsschwierigkeiten. Doch in anderen Branchen sind es bis zu 90 Prozent. Das zeigt: Anders als 2001, wo es fast keine Kredite mehr gab, machen die Banken die ITK-Branche heute nicht als Ursache der Krise aus. Sie kann zur Lösung der Krise beitragen und das macht es leichter, Kredite zu bekommen.
Was fordern Sie von der Politik angesichts der Krise?
Rohleder: Man sollte nicht immer jammern und nach öffentlichen Geldern rufen. Wir sollten sehr vorsichtig sein mit konjunkturstützenden Maßnahmen, die dazu führen können, dass überkommene Strukturen fortgeschrieben anstatt reformiert werden.
Wir setzen uns dafür ein, dass der Staat erkennt, welche Chancen in der Technologieinfrastruktur liegen. Etwa in einer neuen Medieninfrastruktur für den Bildungssektor, im E-Government aber auch in Verkehrstelematik. Wir brauchen intelligentes Verkehrsmanagement. In der Umsetzung solcher Programme sollten die Länder nun stärker akzentuieren und investieren.
Wie wird sich die IT-Branche in diesem Jahr generell entwickeln?
Rohleder: Wir gehen davon aus, dass die Branche den Umsatz halten kann. In einzelnen Bereichen, etwa der Unterhaltungselektronik, wird der Umsatz sinken. Dies ist aber weniger der Wirtschaftskrise geschuldet, sondern geht auch auf strukturelle Veränderungen zurück. Mittlerweise hat fast jeder einen Flachbildfernseher und die Geräte werden immer billiger. Zudem fehlt der Kaufanreiz, den vergangenes Jahr noch die Europameisterschaft auslöste.
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Cebit: Optimismus in der Krise
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Auch im Bereich Telekommunikation sinken die Umsätze aufgrund von Regulierungseingriffen der EU und des extrem scharfen Preiswettbewerbs. So sind die Preise zum Teil um 98 Prozent gefallen.
Einen echten Boom erleben wir bei Datendiensten. Die Verlagerung weg von Sprach- auf Datenübertragung wächst. Dieser Trend setzt sich fort und wird in den kommenden Jahren deutlich steigen, einhergehend mit Flatrates.
Was erwarten Sie von der Cebit in diesem Jahr?
Rohleder: Ich erwarte mir von der Messe eine Signalfunktion, im Sinne eines Abflauens der Krise insgesamt. Zudem soll sie zeigen, was die Branche im Sinne der Krisenbewältigung leisten kann aber auch im Hinblick auf große gesellschaftliche Herausforderungen, etwa durch Green IT.
Derzeit sendet die Cebit doch eher Krisensignale aus. Dieses Jahr ist die Anzahl der Aussteller um 25 Prozent auf 4300 geschrumpft.
Rohleder: Natürlich kann man sagen, dass das Glas halbleer ist, wenn man die aktuelle Cebit mit der von 2001 vergleicht. Aber welche Anbieter fehlen? Aus Taiwan etwa kommen dieses Mal 200 Aussteller weniger. Das sind durch die Bank Aussteller, die eine wenige Quadratmeter große Box gemietet hatten, um dort Geschäfte mit anderen Ausstellern zu machen. Sie waren weder für das Publikum besonders attraktiv, noch setzten sie thematische Akzente. Ob die Cebit unter diesem Schwund leidet, halte ich für sehr fraglich. Wichtiger ist, dass große Firmen wie Dell, Sun, Nokia Siemens Networks und Adobe zurückgekommen sind.
Sie glauben nicht, dass die Cebit auf Dauer an Bedeutung einbüßt?
Rohleder: Die Bedeutung der Cebit kann sogar eher noch steigen. Sie ist die einzige große Universalmesse, die es noch gibt. Das macht sie für die Branche als Schaufenster, Plattform und Vertriebsinstrument noch wichtiger als in der Vergangenheit.