Essen. Der Textildiscounter Kik sorgt für Empörung bei Datenschützern. In großem Stil hat das Unternehmen überprüfen lassen, ob Beschäftigte privat Schulden haben. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform bestätigte 49.000 so genannte Bonitätsprüfungen. Der Fall beschäftigt auch die Staatsanwälte.

Der Textildiscounter Kik hat die private Finanzlage seiner Beschäftigten in weitaus größerem Umfang kontrolliert als bislang bekannt. Wie die Wirtschaftsauskunftei Creditreform auf Anfrage dieser Zeitung berichtete, gab es „49.000 Fälle von Bonitätsprüfung im Auftrag von Kik”. Der Discounter – eine Tochterfirma der Mülheimer Tengelmann-Gruppe – beschäftigt nach eigenen Angaben rund 18.000 Mitarbeiter. Vermutlich wurden also viele Beschäftigte mehrmals überprüft.

Kik hatte bereits im Mai eingeräumt, über Creditreform mehrfach Informationen über die Verschuldung von Mitarbeitern eingeholt zu haben. Man erhebe aber keine regelmäßigen Abfragen – und wenn, dann nur bei einem berechtigten Interesse. Jetzt steht der Fall in einem neuen Licht. Wie „Der Spiegel” berichtet, hat der Discounter in den vergangenen eineinhalb Jahren flächendeckend hinter seinen Mitarbeitern hergeschnüffelt.

"Beschäftigte unter Generalverdacht"

Die NRW-Datenschutzbehörde hält das Vorgehen von Kik für rechtswidrig und hat Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Dortmund erstattet. „Ein Unternehmen darf nicht unterstellen, dass jeder, der knapp bei Kasse ist, ein potenzieller Straftäter ist”, sagte Behördensprecherin Bettina Gayk. „Hier werden Beschäftigte unter einen Generalverdacht gestellt, nur weil sie keine gute Kreditwürdigkeit haben.” Mehr noch: „Wir haben Anhaltspunkte, dass hier zielgerichtet vorgegangen worden ist, um missliebige Beschäftigte loszuwerden.” Dieses Verhalten sei womöglich strafbar.

„Die Ermittlungen dauern an”, sagte die Dortmunder Oberstaatsanwältin Ina Holznagel. Die Justiz steht vor einer schwierigen Aufgabe. Eine Straftat liegt nur dann vor, wenn eine „Schädigungsabsicht” des Unternehmens besteht. Kik habe in der Vergangenheit argumentiert, es gehe um den „Schutz des Unternehmens und der Mitarbeiter”.

Doch selbst wenn die Justiz zur Einschätzung gelangen sollte, dass keine Straftat vorliegt, will die Landesbeauftragte für Datenschutz ihrerseits ein Bußgeldverfahren prüfen. Das Unternehmen selbst lehnte eine Stellungnahme mit Hinweis auf das schwebende Verfahren ab.

"Mit hohen Schulden nicht an die Kasse"

Creditreform-Sprecher Michael Bretz verteidigte die Nachforschungen im Auftrag von Arbeitgebern offensiv. „Jemand, der hoch verschuldet ist, sollte nicht unbedingt an der Kasse arbeiten”, sagte er. Auch ein Alkoholiker solle schließlich keinen Job in einer Kneipe annehmen. Laut Creditreform muss ein Betroffener nach geltender Rechtslage nicht über eine Bonitätsabfrage informiert werden. Kik habe aber die Mitarbeiter „über die Maßnahme informiert”.

Für die Creditreform-Tochterfirma CEG (Creditreform Consumer GmbH) seien Auskünfte über Beschäftigte „ein Randgeschäft”. CEG überprüfe im Auftrag von Kunden, ob bei bestimmten Personen „Negativmerkmale” vorliegen – gemeint sind etwa Privat-Insolvenzen, eidesstattliche Versicherungen oder Mahnungen von Gläubigern wie Energieversorgern, Mobilfunkbetreibern oder Vermietern.

Das Geschäftsmodell von Creditreform deutet darauf hin, dass Kik kein Einzelfall ist. „Wir gehen davon aus, dass andere Unternehmen ähnlich verfahren”, sagte Datenschützerin Gayk.