Essen. Ein bizarrer Streit in Deutschlands Kühlregalen putscht die Gemüter. Der Fund von Kokainspuren in einer Dose Cola des Herstellers Red Bull sorgt derzeit bundesweit für Aufregung und hat nun ein juristisches Nachspiel.

In Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern schwärmen Lebensmittelkontrolleure aus, um die Getränkedosen vorläufig sicherzustellen. Das Unternehmen wehrt sich gegen das Verkaufsverbot und hat Anwaltskanzleien eingeschaltet. Jetzt droht ein monatelanger Grundsatzstreit über die nicht unwichtige Frage: Ist die Cola von Red Bull ein Lebens- oder ein illegales Betäubungsmittel?

Der Mann, der dem Fall mit den Kokainresten Flügel verlieh, heißt Bernhard Hoffmann. In seinem Labor in der Arzneimitteluntersuchungsstelle in Münster hatte er vor wenigen Tagen das Trend- Getränk kunstgerecht in seine Einzelteile zerlegt. Eine Aufschrift auf der Dose hatte zuvor den Argwohn der Lebensmittelüberwachung geweckt: Extrakte von Kokablätter waren als Inhaltsstoffe angegeben. Ein Ding der Unmöglichkeit, denn nach den betäubungsmittelrechtlichen Bestimmungen in Deutschland sind Kokaprodukte in Form von Lebensmitteln nicht zugelassen.

Schüsse im Vakuum

Bernhard Hoffmann machte sich an die Arbeit, befüllte seine Hightech-Analysegeräte mit Cola, beschoss die Limonade im Vakuum. Wieder und wieder. Dreifaches Massenspektrogramm, Staunen, Gewissheit: „Da war Kokain”, sagt Hoffmann. „Ganz klar, kein Zweifel. Das hätte ich nicht für möglich gehalten.” Der Chemiker schickte die Expertise ans Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit. Die Nachricht erreichte die Öffentlichkeit, der Volksmund dichtete: Koksbrause.

Alle Experten, an vorderster Stelle Bernhard Hoffmann, sind sich einig, dass die Red Bull Cola gesundheitlich unbedenklich ist. Zu winzig seien die Kokainmengen, um eine berauschende Wirkung zu entfalten: 0,4 Mikrogramm Kokain je Liter fanden die Experten. Einen Grenzwert für Kokain gibt es nicht. Hoffmann sagt es so: „Sie müssen von der Cola 100 000 Liter trinken, um etwas zu merken. Nur sind Sie leider vorher am Koffein gestorben.”

Feinste Analytik und Behördeneifer

Feinste Analytik paarte sich nun mit Behördeneifer. Red Bull Cola sei kein Lebensmittel, sondern falle unter das Betäubungsmittelgesetz, konstatiert das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit. Das Bundesgesundheitsministerium wie auch die Bundesopiumstelle in Bonn (es gibt sie wirklich!) verweisen auf die Rechtsauffassung, dass „der Kokastrauch mit allen Pflanzenteilen sowie daraus hergestellte Zubereitungen als Betäubungsmittel gelten, auch wenn das Kokain entzogen worden ist“.

Da nicht sein kann, was nicht sein darf, werden nun in NRW und in etlichen anderen Bundesländern die Dosen aus dem Handel genommen. Verkaufsverbot, ein Albtraum für die Red Bull Deutschland GmbH in München, die sich nun wehrt.

Anwaltskanzleien verschicken Rechtsgutachten

Zwei Anwaltskanzleien in München schickten Rechtsgutachten an Ministerien in Düsseldorf und Berlin. In einer Presseerklärung verweist das Unternehmen auf das Gutachten eines österreichischen Instituts, das im Gegensatz zu Hoffmann keine Kokainspuren in der Cola nachweisen könne. Außerdem würden dekokainierte Kokablatt-Extrakte weltweit als Aroma in Lebensmitteln eingesetzt. Man sei sich sicher, den Sachverhalt kurzfristig aufklären zu können.