Essen/Berlin. Verbraucher und Steuerzahler finanzieren den Umbau der Energieversorgung mit Milliarden. Wie das Essener Institut RWI errechnet hat, kostet der Klimaschutz in Deutschland pro Kopf rund 440 Euro im Jahr. Künftig werden die Bürger wohl noch stärker zur Kasse gebeten.
Die einen reden von Investitionen in den Klimaschutz, andere sprechen ganz unromantisch von höheren Kosten für Verbraucher oder Steuerzahler. Unabhängig von der Perspektive: Schon jetzt zahlen die Bürger Milliardensummen für Steuern oder staatliche Programme, die direkt oder indirekt das Klima schonen sollen. „Die wahren Kosten des Klimaschutzes werden oft unterschätzt”, sagt Manuel Frondel, der Umweltexperte des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI).
Seinen Berechnungen zufolge summierten sich die Kosten, die Steuerzahlern und Verbrauchern allein im vergangenen Jahr für Ökostrom, Biosprit, Kraft-Wärme-Kopplung, Zertifikatehandel und entsprechende staatliche Subventionen entstanden, auf rund 36,3 Milliarden Euro. Rein rechnerisch bedeutet das: Pro Kopf kostet der Klimaschutz in Deutschland rund 440 Euro jährlich. RWI-Experte Frondel sieht eine steigende Tendenz. Im Jahr 2009 würden die Kosten unter dem Strich „vermutlich schon über 40 Milliarden Euro liegen”, sagt er voraus.
Vorbild Mehrwertsteuer-Erhöhung
Diese Summe reicht nach Einschätzung des Klimaforschers Ottmar Edenhofer allerdings nicht aus, die notwendigen Schritte gegen den Klimawandel zu finanzieren. Der Chefökonom am Potsdam Institut für Klimafolgen-Forschung rät, die Menschheit solle ein bis zwei Prozent des weltweiten Sozialprodukts jährlich aufbringen. „Für Deutschland würde das Ausgaben bedeuten, die in der Größe von einem oder zwei Prozentpunkten der Mehrwertsteuer liegen. Oder noch einfacher: Wenn jeder Deutsche vier Euro pro Woche aufbrächte, wäre ambitionierter Klimaschutz finanzierbar”, rechnet Edenhofer vor. Das macht pro Person durchschnittlich gut 200 Euro im Jahr – insgesamt also Kosten von 16 Milliarden Euro pro Jahr. Wohlgemerkt: zusätzlich zu den 440 Euro pro Kopf, die derzeit anfallen.
Wer behaupte, dieses Geld fehle an anderer Stelle, etwa an Schulen, in Kitas oder für die Altersvorsorge, der mache eine „Milchmädchenrechnung” auf, sagt Edenhofer. „Ich behaupte nicht, dass es einfach ist, den Wandel einzuleiten. Aber es ist möglich, ohne dass hier alles zusammenbricht. 2006 hat die große Koalition die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte angehoben – und die Wirtschaft ist nicht die Knie gegangen”, betont Edenhofer.
Subventionen für Ökostrom
Eine zentrale Rolle in der Klimaschutz-Strategie der Bundesregierung spielt bisher das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), mit dem der Staat die Nachfrage nach Windrädern, Wärmepumpen oder Solarkollektoren ankurbelt. Im EEG ist festgeschrieben, dass Strom aus Wind, Wasser oder Sonne eine bevorzugte Behandlung erfährt. So müssen Netzbetreiber erneuerbare Energie zukaufen. Ökostrom-Produzenten erhalten eine feste Vergütung, die den Verbrauchern auf die Rechnung geschlagen wird. „Allein dafür, dass der Staat die Einspeisung von erneuerbaren Energien ins Stromnetz fördert, zahlt ein durchschnittlicher Haushalt etwa 50 Euro pro Jahr”, erklärt Frondel.
Der RWI-Experte kritisiert, in vielen Bereichen würden Steuergelder nicht effizient genug für den Klimaschutz eingesetzt. „Im Vergleich zur Windenergie ist die Erzeugung von Solarstrom extrem ineffizient. Windkraftanlagen verursachen nur die Hälfte der Kosten, erzeugen aber zehnmal soviel Strom”, sagt Frondel. „Solarstrom-Produzenten liefern zwar nur fünf Prozent des deutschen Ökostroms, erhalten aber rund 20 Prozent der Einspeisevergütung. Das ist ein krasses Missverhältnis.”
Windräder effizienter als Solar-Anlagen
Frondel rät, die staatlichen Mittel anders einzusetzen. „Wenn man mit einem Euro möglichst viel Klimaschutz erreichen will, sollte man diesen Euro eher in Windkraft als in die Photovoltaik stecken”, sagt er. Da zuletzt immer mehr Photovoltaik-Anlagen gebaut wurden, seien die staatlichen Subventionen geradezu explodiert. Hintergrund: Obwohl die Preise für Solar-Anlagen seit Jahresbeginn um mehr als 35 Prozent gefallen seien, blieb die staatliche Förderung für diese Anlagen konstant hoch. Frondel regt an, die Subventionen auf eine bestimmte Höhe zu begrenzen.
Der generelle Trend allerdings ist klar: Die Kosten für den Klimaschutz werden weiter steigen. Man könnte auch von Investitionen sprechen.