Die Impfbereitschaft sinkt. Kritiker bezeichnet die bundesweite Aktion als „viel Lärm um wenig”.
Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler beklagt die geringe Impfbereitschaft gegen die Schweinegrippe, doch die Bevölkerung zeigt sich nach der Aufregung nach den ersten Todesfällen vor wenigen Wochen nun resistent.
Dortmunds Amtsapotheker Georg Bühmann kann diesen Widerstand in Zahlen ausdrücken. Vor drei Wochen hätten die Arztpraxen rund 20 000 Impfdosen angefordert – zu jenem Zeitpunkt mehr als verfügbar waren in Dortmund. Mit der Verfügbarkeit gab es in der vergangenen Woche keine Probleme mehr, die Nachfrage sank auf 2000. „Und für den morgigen Mittwoch habe ich lediglich etwa 70 Anfragen”, sagt Bühmann. Bochum berichtet vom gleichen Trend. Der Kreis Coesfeld knipste inzwischen den heißen Draht zum Thema „Schweinegrippe” ab – mangels Nachfrage.
Dabei hat die „Ständige Impfkommission” gerade ihre Empfehlungen zur Schutzimpfung erweitert. So sollen sich Haushaltskontaktpersonen ungeimpfter Risikopersonen (Eltern von Kindern unter sechs Monaten) sowie gesunde Kinder und Jugendliche bis 24 Jahre piksen lassen.
Die Empfehlung enthält die Formulierung „in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit der Impfstoffe”. Diese Verfügbarkeit dürfte keine Komplikationen bereiten. NRW habe elf Millionen Impfdosen bestellt, so Kathrin Rebbe, Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Dass dies sehr üppig kalkuliert war, offenbart die Tatsache, dass bislang rund 2,5 Millionen Dosen verteilt wurden. Rebbe berichtet, dass vor diesem Hintergrund Gespräche mit dem Hersteller GlaxoSmithKline liefen, um die Möglichkeit auszuloten, eventuell die bestellte Menge nicht komplett abzunehmen.
Das Hin und Her der Impfaktion ruft immer wieder ihre Kritiker auf den Plan. Wie Wolfgang Becker-Brüser, Geschäftsführer des Fachblatts „Arzneimitteltelegramm”. Für ihn ist der Aufwand „viel Lärm um wenig”. Becker-Brüser: „Die 50 Millionen Impfdosen werden nie und nimmer verbraucht.” Die Bundesregierung habe die doppelte Menge bestellt, weil man davon ausgegangen war, dass jeder Mensch zweimal geimpft werden muss. Darüber hinaus habe die Bundesregierung bei den Preisverhandlungen mit GlaxoSmithKline ihre Marktmacht vernachlässigt, wie die Verträge offenbaren. Becker-Brüser hat diese Verträge auf die Internetseite des „Arzneimitteltelegramms” gestellt.
Becker-Brüsers Fazit: Der Hersteller könne mit dem Schweinegrippeimpfstoff in Deutschland einen zusätzlichen Umsatz von einer halben Milliarde Euro erzielen. „Da wurde viel Geld für wenig Gegenwert ausgegeben.”