Essen. Beamte widmen sich fehlerhaften und fehlenden Steuererklärungen. Viele Rentner haben zu viel, zu wenig oder gar nicht gezahlt. Finanzämter klagen über Personalmangel

Die 2005 geänderte Besteuerung der Renten hat die 20 Millionen Ruheständler seinerzeit reichlich verunsichert. Deutlich mehr als zuvor müssten Steuern zahlen, viele tun es aber nicht. Dass sich der Rauch mittlerweile gelegt hat, liegt daran, dass säumige Rentner bisher Ruhe vor dem Finanzamt hatten. Doch der mehrmals verschobene Datenabgleich mit den Rententrägern ist im Oktober tatsächlich angelaufen. Im neuen Jahr nun widmen sich die Finanzämter den Rentnern. Zunächst rechnen sie bei denen nach, die Steuern gezahlt haben.

Das sind weit mehr als bisher vermutet wurde. In den ersten Stichproben waren 44 Prozent der Rentner den Finanzämtern bereits bekannt. Allerdings ergab der Vergleich der Rentenbezüge mit den Angaben in der Steuererklärung in 22 Prozent der Fälle Ungereimtheiten. All diese Fälle müssen noch 2010 aufgearbeitet werden, weil Säumnisse aus 2005 sonst verjähren.

Laut Deutscher Steuergewerkschaft (DStG) wird etwa die Hälfte der Korrekturen zu Rückerstattungen führen, die andere Hälfte zu Nachforderungen des Fiskus. „In den meisten Fällen sind es kleine Beträge”, beruhigt Manfred Lehmann, DStG-Chef in NRW. Happiger werden die Nachforderungen, wenn zum Beispiel eine Betriebsrente oder andere Einkünfte gar nicht angegeben wurden. Das sei in den Stichproben durchaus häufiger vorgekommen.

Die Gewerkschaft beklagt, dass die Landesregierung nicht einen Beamten mehr in die Finanzämter schickt, um diese Zusatzarbeit bewältigen zu können. „Hessen hat 150 Stellen geschaffen, wir in NRW sollen das so nebenbei machen”, sagt Lehmann.

Auf etwa eine halbe Million schätzt Lehmann die Zahl der Rentner in NRW, die bisher keine Steuern gezahlt haben, es aber hätten müssen. Ihre Daten prüfen die Finanzämter aber erst ab Sommer 2011. Lehmann rät allen, die unsicher sind, Ruhe zu bewahren. „Machen Sie nichts, warten Sie einfach ab, ob irgendwann Post vom Finanzamt kommt.”

Finanzbehörden und Politik wollen in keinem Fall Rentner kriminalisieren. Ihnen ist bewusst, dass die neue Rentenbesteuerung so kompliziert ist, dass die meisten säumigen Rentner aus Unwissen und nicht aus Vorsatz Steuern vorenthalten haben. Wer sicher gehen möchte, kann sich an sein Finanzamt wenden. Ab Sommer 2010 soll jedes NRW-Finanzamt einen Ansprechpartner nur für Rentner haben.

Wer zahlen muss

Vor 2005 wurden nur auf sehr hohe Renten Steuern fällig, weil nur der Ertragsanteil besteuert wurde. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird ab 2005 ein immer größerer Teil der Rente versteuert. Für alle, die 2005 oder früher in Rente gegangen sind, ist exakt die Hälfte steuerpflichtig. Dieser Anteil steigt jährlich um zwei Prozentpunkte. Für den Rentenjahrgang 2006 sind also 52 Prozent zu versteuern, für Neurentner 2009 bereits 58 Prozent.

Auch für Rentner gilt der allgemeine Steuerfreibetrag (2009: 7834 Euro), für Ehepaare der Doppelte. Nur, wer mit dem zu versteuernden Teil seiner Rente über dem Freibetrag liegt, muss Steuern zahlen. Dabei werden noch Sozialbeiträge und Werbekosten abgezogen. Wer nur von seiner Staatsrente lebt und 2005 oder früher in Rente gegangen ist, kann bis zu 1575 Euro im Monat beziehen (für Paare das Doppelte), ohne Steuern zahlen zu müssen. Mit jedem Jahr sinkt diese Grenze für die Neurentner: Für den Rentenjahrgang 2006 liegt sie bei 1500 Euro, 2007 bei 1425 Euro und für 2008 bei 1380 Euro.

Viele Rentner haben weitere Einkünfte aus Mieten, Zinsen, Betriebs- oder Privatrenten. Sie müssen ebenfalls angegeben werden. Sie werden zwar längst versteuert, können aber die Gesamteinkünfte soweit erhöhen, dass auch die Altersrente steuerpflichtig wird.