Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stärkt die Rechte für nicht verheiratete Väter. Die Richter rügten das deutsche Kindschaftsrecht, das ledige Mütter gegenüber Vätern bevorzugt.

Essen. „Zaunegger gegen Deutschland”. Der Fall, der den Pulheimer Vater bis zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof führte, steht stellvertretend für die Problematik unverheirateter Familien: Pro Jahr werden 200.000 nichteheliche Kinder geboren.

Was das fehlende Sorgerecht für einen unverheirateten Vater bedeuten kann, schildert ein Mitglied der Dortmunder Gruppe des Vereins „Väteraufbruch”:

Das Paar war glücklich, als der Kinderwunsch in Erfüllung gegangen war. „Dass man beim Jugendamt das gemeinsame Sorgerecht erklären kann, habe ich gar nicht gewusst ”, erinnert er sich. Selbst wenn – er hätte keinen Gedanken daran verschwendet, weil das Familienleben harmonisch gewesen sei. Nun sagt er: „Man sollte es machen. Für schlechtes Wetter.”

Das schlechte Wetter braute sich in seiner Beziehung zusammen. Folge: Als Probleme im Kindergarten auftauchten, habe die Mutter seines Kindes der Kita-Leitung unter Androhung einer Dienstaufsichtsbeschwerde verboten, ihm Auskünfte zu geben.

Als Mitglied des Vereins „Väteraufbruch” freut sich der Dortmunder über die Entscheidung, aber man müsse abwarten, was nun geschehe.

Wolfgang Dahlbüdding, Essener Anwalt für Familienrecht, hält die Entscheidung für „sicherlich zutreffend”. Warum solle es nicht auch bei Unverheirateten das grundsätzlich gemeinsame Sorgerecht geben? Warum soll der Vater von vornherein vom Sorgerecht ausgeschlossen sein, muss aber andererseits für das Kind zahlen? „Beide Eltern haben die Pflicht, sich gemeinsam um ein Kind zu kümmern. Mit dieser Pflicht muss das Recht zur gemeinsamen elterlichen Sorge korrespondieren. Das gemeinsame Sorgerecht gibt einem Vater das Bewusstsein für seine Verantwortung für das Kind, dafür, stets zum Wohle des Kindes zu handeln.”

Allerdings könne die bisherige rechtliche Situation auch dazu führen, dass sich die Kindesväter ihrer Verantwortung entziehen. Bundesweite Aufmerksamkeit erregte ein Fall im vergangenen Jahr: Das Bundesverfassungsgericht gab einer Beschwerde eines Vaters statt, der jeglichen Kontakt zu seinem unehelichen Sohn verweigert. Er dürfe dazu nur gezwungen werden, wenn dies dem Wohl des Kindes diene.

Für das Wohl des Kindes zähle nicht, wer das Sorgerecht habe, sondern wer sich tatsächlich um das Kind sorge, so Edith Weiser vom NRW-Landesverband allein erziehender Mütter und Väter mit Sitz in Essen. Und viele Kinder könnten ihr Recht, den Vater regelmäßig zu treffen, oft nicht realisieren. Das Urteil sei klug, so Weiser. Das deutsche Recht müsse auch nicht verheirateten Vätern die Möglichkeit offen lassen, per Gerichtsverfahren über die gemeinsame Sorge zu befinden.

Für Thomas Haas, Vorsitzender des Moerser Vereins „Väter helfen Vätern”, ist die Entscheidung „ein Schritt in die richtige Richtung”. Wenn ein Vater seine Vaterschaft anerkenne, warum sollte er dann nicht auch die gleichen Rechte haben wie ein ehelicher Vater. Haas erinnert daran, dass bei der Entscheidung der Richter eigentlich die Kinder im Mittelpunkt stehen: „Der Streit wird immer auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Es geht hier um das Recht des Kindes auf Vater und Mutter und entsprechende gemeinsame Entscheidungen.”