Essen. Fritz Vahrenholt, Chef der RWE-Tochter Innogy, investiert pro Jahr eine Milliarde Euro in erneuerbare Energien. Ein Gespräch über die Erwartungen an die Klimakonferenz in Kopenhagen und seine Gründe, warum er ins Visier mutmaßlicher Linksextremisten geraten ist.
Herr Vahrenholt, vor der Klimakonferenz in Kopenhagen beschwören manche die Klimakatastrophe, andere bezweifeln die Dringlichkeit zu handeln. Wie erleben Sie die Klimadebatte?
Fritz Vahrenholt: Ich glaube, dass die Wissenschaft politisiert wird. Wenige Tage vor Kopenhagen will jeder die öffentliche Meinung für sich gewinnen - sowohl die Klimaskeptiker als auch diejenigen, die sich die Warnung vor Klimaveränderungen auf die Fahnen geschrieben haben. Wir müssen dabei aufpassen, dass wir nicht zu kurzatmig werden.
Neigen wir zu hysterischem Handeln?
Vahrenholt: Es gibt viele Argumente, auf erneuerbare Energien zu setzen und CO2 einzusparen. Zum Beispiel die Verringerung unserer Importabhängigkeit bei Energie. Aber selbst wenn die Wahrscheinlichkeit einer Klimaveränderung nur 50 Prozent betragen würde: Es wäre eine so dramatische Veränderung der Welt, dass wir gut daran täten, uns darauf einzustellen. Das allerdings bedingt, die richtigen Schritte einzuleiten, um bis 2050 die langfristige Ziele zu erreichen.
Was erwarten Sie von Kopenhagen?
Vahrenholt: Es wird wohl noch keinen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag geben. Aber wir sollten die Konferenz nutzen. Denn wenn sich das Zeitfenster schließt, wird es sich für einige Jahre nicht mehr öffnen. Wir in Deutschland glauben, wir könnten die Welt alleine retten. Das können wir ebenso wenig wie die EU. Daher sage ich: Wir brauchen ein Abkommen, das die Pflichten fair verteilt, und auch die USA, China, Indien und Brasilien einbezieht.
Und Deutschland?
Vahrenholt: Deutschland ist auf einem sehr guten Weg und wird die gesteckten Ziele sicher erreichen. Zudem ist unser Beitrag die Technologie zur Vermeidung von CO2 bereit zu stellen. Die Innovation voranzutreiben, das ist unsere Aufgabe. Abgesehen von Dänemark sind wir die einzigen, die die Anlagen für einen Offshore-Windpark bauen können. Kein Amerikaner, kein Chinese, kein Engländer kann das bis jetzt. Wenn Kopenhagen scheitert, ist das nicht nur ein Rückschlag für die Politik. Es hat auch Auswirkungen auf die Wirtschaft.
Sie verantworten die Öko-Sparte eines Unternehmens, das für mehr CO2-Emissionen verantwortlich ist, als manch ein europäisches Land produziert. Passt das zusammen?
Vahrenholt: Innogy senkt die CO2-Last des RWE-Konzerns. Und wir bringen jeneTechnologien zur Reife, die momentan noch nicht wettbewerbsfähig sind. Dafür investieren wir pro Jahr über eine Milliarde Euro. Unsere Windparks oder Biomasseanlagen müssen die gleiche Rendite erzielen wie die Kern- oder Kohlekraftwerke. Ich habe eine der schönsten Aufgaben, die einem Manager in Deutschland zuteil werden kann: Ich nehme das Geld aus der Kern- oder Kohlekraft und investiere es in erneuerbare Energien. Das ist nebenbei gesagt eine schöne Blaupause für die Gesellschaft…
. . . die aber gerade Widerstand leistet gegen CO2-Pipelines und die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid.
Vahrenholt: Das ist eine aus meiner Sicht übersteigerte Angst, die wir uns leisten. Ich kann ja noch nachvollziehen, wenn jemand nicht neben einem Windpark oder einem Kernkraftwerk leben will. Wofür ich kein Verständnis habe ist, wenn Leute, die sich den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben haben, die Bevölkerung aufwiegeln. So wurde zum Beispiel in Schleswig-Holstein mit Giftgasmasken gegen CO2-Speicherstätten demonstriert. Das ist für mich alles andere, als eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema.
Auch Sie sind ein erbitterter Kritiker, was die Solarenergie angeht. Was haben Sie gegen CO2-freien Strom?
SPD-Mitglied und pro Atom
Prof. Fritz Vahrenholt (60), ein gebürtiger Gelsenkirchener, ist als Chef der RWE-Tochter Innogy für den Ausbau der erneuerbaren Energien verantwortlich.
Der studierte Chemiker war Umweltsensator in Hamburg, Krisenmanager bei Shell und Vorstandsvorsitzender des Windkraftanlagenbauers Repower. Vahrenholt ist SPD-Mitglied, machte jedoch nie ein Hehl daraus, dass er die Atomenergie für derzeit unverzichtbar hält. Vor wenigen Tagen verübten mutmaßliche Linksextremisten einen Anschlag auf sein Haus im Hamburger Stadtteil Wellingsbüttel. Die Täter zertrümmerten Scheiben mit Steinen und warfen mit schwarzer Farbe gefüllte Flaschen gegen die Fassade. Die Ermittler gehen davon aus, dass ein RWE-Werbespot, der die Leistungen des Konzerns im Bereich der Ökoenergien bewirbt, das Motiv für die Anschläge ist.
Vahrenholt: Die Förderung von Fotovoltaik kostet die Bürger zwei Milliarden Euro im Jahr. Dabei trägt sie noch nicht einmal 1% zu unserer Stromversorgung bei. Das ist eine ganz schlechte Bilanz. Wir erleben eine Umverteilung grandiosen Ausmaßes von unten nach oben.
Was meinen Sie damit?
Vahrenholt: Die Vergütung von Solarstrom zahlen alle Stromkunden. Wer aber in die Anlagen investiert und damit Geld verdient, das sind die Besserverdienenden, die ein Haus besitzen und sich Anlagen für zehntausend Euro leisten können.
Aber es sind doch gerade einmal 5,95 Euro, die wir für die Förderung aller erneuerbaren Energien bezahlen.
Vahrenholt: Pro Monat! Das bedeutet: 60 Euro beträgt die durchschnittliche Stromrechnung pro Monat - davon sind 20 Euro Erzeugungskosten, rund ein Viertel davon geht auf das Konto Erneuerbare Energien. Deutschland leistet hiermit eine riesige Anschubfinanzierung für Erneuerbare, das ist weltweit einmalig.
Heißt das, die Förderung erneuerbarer Energien gehört abgeschafft?
Vahrenholt: Nein, das EEG ist ein kostbares Instrument: Die Gesellschaft bezahlt solidarisch dafür, dass neue Technologien entwickelt werden. Nur muss das intelligent geschehen. Ist es nicht besser, dort in Fotovoltaik oder Solarthermie zu investieren, wo die Sonne dreimal so häufig scheint und die Kosten für die Erzeugung somit nur ein Drittel betragen? Ich glaube, dass europäische Stromkunden eher bereit wären, eine Anschubfinanzierung für das Desertec-Projekt zu leisten, das Sonnenstrom in Nordafrika erzeugen soll.
Sie sind Opfer mutmaßlicher Linksextremisten geworden. Was denken Sie: Warum Sie?
Vahrenholt: RWE war immer ein beliebtes Angriffsziel, solange sich das Unternehmen nicht mit erneuerbaren Energien abgegeben hat. Die Radikalisierung, die nun stattfindet, ist auch eine gewisse Verzweiflung darüber, dass die bisherige Einteilung nicht mehr stimmt: Wir sind die Guten, die für Klimaschutz und erneuerbare Energien sind, Ihr seid die Bösen. Ich habe mich seit Jahrzehnten für die Entwicklung erneuerbarer Energien eingesetzt. Und ich hätte mir nie vorstellen können, dass mich jemand angreift, weil ich dies nun bei einem Großkonzern tue. Wer wenn nicht die großen Unternehmen kann in Zeiten der Finanzkrise diese Investitionen stemmen?
Was die Menschen aktuell aufregt, sind die steigenden Energiepreise.
Vahrenholt: Umso mehr müssen wir uns alle für die Energieträger in Deutschland, also auch Braunkohle und Kernenergie, einsetzen. Dadurch wird der Preisdruck, der sich durch steigende Importe ergibt, verringert. Zusammen mit dem Ausbau der Erneuerbaren erfüllt dieser Mix das, was wir brauchen: Gedämpfte Preise, keine wachsende Importabhängigkeit und die Erfüllung der Ziele zur CO2- Vermeidung.