Das kommt ja so leicht über die Lippen, dieses Schwadronieren über Zivilcourage und Mut. In der Sicherheit des wohlbehüteten Heims lässt sich wohlfeil über Tapferkeit schwafeln – oder auch den Stab brechen über die, die im entscheidenden Moment aus Angst ums eigene Wohl versagten.

Aber Heldentum ist nicht jedem gegeben. Auch mancher Politiker übt sich gern in Sachen Courage als Lehrmeister für andere, ohne sich selbst jemals als couragiert erwiesen zu haben. Umso heller leuchtet daher der Stern derer, die ihrer Überzeugung wegen dem Bösen die Stirn zu bieten wagen.

1933: Einer dieser wenigen ist Otto Wels. Sohn eines Berliner Gastwirts, gelernter Tapezierer – einer der am meisten geachteten Sozialdemokraten wird er werden. Mit 18 trat er in die SPD ein, das war 1891. Seit 1919 gehört Wels dem Reichstag an, wird zum Parteichef gewählt. Wels ist ein entschiedener Befürworter von Verfassung und Republik – und ein erbitterter Gegner der Nationalsozialisten. Er gehört zur „Eisernen Front”, die ihren Vormarsch stoppen will.

Große Stunde der Sozialdemokratie

Am 23. März 1933 – Hitler ist zu diesem Zeitpunkt seit knapp zwei Monaten Kanzler – schlägt eine große Stunde der deutschen Sozialdemokratie und die des Abgeordneten Wels: Hitlers Partei will das „Ermächtigungsgesetz” im Reichstag beschließen lassen. Zuvor haben SA und NSDAP ihre Einschüchterungskampagnen wirken lassen. Denn dieses Gesetz bedeutet nichts anderes als die totale Selbst-Entmachtung des Parlaments. Dennoch stimmt das Zentrum ebenso wie die Liberalen dem Gesetz zu. Es gibt Hitler freie Hand, die Fundamente des Staates zu zerschlagen. Nur die SPD-Abgeordneten stimmen dagegen. Wels hält die Rede, in der er trotz aller Einschüchterung der NSDAP mutig entgegentritt. Er bekennt sich zu „Menschlichkeit und Gerechtigkeit”, schleudert der Hitler-Partei entgegen: „Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten.” Und angesichts der Übergriffe auf die SPD spricht er den Satz aus, den jeder Sozialdemokrat kennt: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.”

Im Juni 1933 wird die SPD verboten, im August Otto Wels die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, da lebt er bereits im Exil. Am 16. September 1939 stirbt Otto Wels 66-jährig in Paris.