Wenn das Verfassungsgericht dem Finanzurteil folgt, kommt die Bundesregierung unter großen Druck.

Das Bundesfinanzministerium tauchte am Mittwoch erst einmal ab. Ein Sprecher wollte auf WAZ-Nachfrage keinen Kommentar zum niedersächsischen Finanzgericht abgeben, das den Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig hält. Es sei nun die Sache des Bundesverfassungsgerichtes, darüber zu entscheiden.

Umso heftiger debattierten Politiker jedweder Couleur dafür, ob der Soli denn noch nötig ist und welche Folgen dessen Abschaffung hätte. „Wenn das Bundesverfassungsgericht den Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig erklärt, dann kann sich die schwarz-gelbe Regierung endgültig von ihren jetzigen Plänen für die große Steuerreform verabschieden”, sagte der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick, dieser Zeitung und plädierte für die Einführung eines „Bildungssolis”. „Entweder gibt es dann gar keinen Stufentarif oder die Stufen werden höher angesetzt, um die weggefallenen Einnahmen auszugleichen”, sagte Schick weiter.

Auch der Finanzexperte der SPD, Joachim Poß, sagte im Gespräch mit dieser Zeitung, dass die geplante Steuerreform ohne die Milliarden durch den Soli noch weniger möglich seien als ohnehin schon. So nimmt der Bund in diesem Jahr allein zwölf Milliarden Euro mit dem Solidaritätszuschlag ein.

Innerhalb der Regierungsparteien löste der Richterspruch gemischte Reaktionen aus. Der CDU-Finanzexperte Leo Dautzenberg beteuerte, dass am Soli nicht gerüttelt werde. „Der Aufbau Ost ist noch nicht abgeschlossen”, sagte der CDU-Fraktionsvize Michael Meister. „Die Finanzierung ist deshalb weiter erforderlich.” Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Carl-Ludwig Thiele, hingegen begrüßte die Argumentation des Finanzgerichts.

So verwiesen die Richter darauf, dass der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe eingeführt worden sei, die „nur der Deckung vorübergehender Bedarfsspitzen” diene. Für die Finanzierung der Einheitskosten besteht nach Auffassung des Gerichts jedoch „kein vorübergehender, sondern ein langfristiger Bedarf”. Aus Sicht des Gerichts hat der Soli aber spätestens seit 2007 keine verfassungsrechtliche Berechtigung mehr.

Sollte sich das Bundesverfassungsgericht dieser Sichtweise anschließen, wäre dies für den Bund gleich doppelt schmerzlich. So drohen dem Staat jährliche Ausfälle von mehr als zehn Milliarden Euro, sowie die Rückzahlung des Soli über mehrere Jahre.

Insgesamt hat der Zuschlag für den Aufbau Ost seit 1991 gut 185 Milliarden Euro in die Kassen des Finanzministers gespült. Das Geld geht ausschließlich an den Bund. Die Abgabe wurde 1991 nach der deutschen Einheit zunächst für ein Jahr für den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Ländern eingeführt.

Die CDU/CSU/FDP-Koalition führte den Zuschlag 1995 erneut unbefristet ein. Zunächst flossen 7,5 Prozent des Einkommens an den Fiskus, seit 1998 sind es 5,5 Prozent. Gegen diese Abgabe wehrte sich nun ein Angestellter. Er klagte gegen seinen Steuerbescheid von 2007 und stellte die Rechtmäßigkeit des Soli infrage. Darüber müssen nun die Verfassungsrichter entscheiden.

Von einem „wichtigen Etappensieg” sprach der Bund der Steuerzahler (BdSt), der seit langem gegen den Soli ist. „Wir sind zuversichtlich, dass sich das Bundesverfassungsgericht nun eindeutig zum Solidaritätszuschlag positionieren wird”, sagte BdSt-Präsident Karl-Heinz Däke.