Afghanistans Präsident soll den Kampf gegen die Korruption ernster nehmen, ansonsten droht ein Ende des Geldflusses
Kabul. Afghanistans Staatsoberhaupt Hamid Karsai begann am Donnerstag im Arg-Palast von Kabul seine zweite Amtsperiode als Präsident so, wie er die erste beendet hatte. Streng wies er die etwa 500 geladenen Gäste in dem streng abgeschirmten Gebäude zurecht: „Applaudiert wird erst am Ende!” Die rund 350 afghanischen und mehrere der rund 150 ausländischen Zuhörer hatten spontan geklatscht, als der alte und neue Präsident erklärte: „Minister müssen kompetent sein.”
Selbstbewusst und mit seinen Markenzeichen, dem traditionellen grünen Seidenmantel und einer schwarzen Lammfellmütze, präsentierte Karsai sein Motto für die „neue Saison”, wie er seine zweite Amtszeit beschrieb: „Unsere Streitkräfte werden während der kommenden fünf Jahre mehr Verantwortung übernehmen. Wir wollen, dass 40 Prozent aller ausländischen Hilfsgelder der afghanischen Regierung übergeben werden. Und wir haben aus der Erfahrung gelernt, dass Wahlen eine völlig afghanische Angelegenheit sein müssen.”
Sieg der Demokratie?
„Afghanistan den Afghanen”, das scheint die Devise zu sein, mit der Karsai seine zweite, fünfjährige und – wenn er zukünftig die Verfassung respektiert – letzte Amtsperiode prägen will. Zumindest bei den Wahlen ist der Ehrgeiz des 53-jährigen Paschtunen nachvollziehbar. Die von den Vereinten Nationen dominierte Überprüfungsabteilung der „Unabhängigen Wahlkommission” hatte ein Drittel aller bei der Präsidentenwahl am 20. August abgegebenen Wahlzettel wegen Betrugs für ungültig erklärt. Karsai verlor deshalb ein Viertel der Stimmen und verpasste die absolute Mehrheit. Dennoch scheute er sich bei seiner Amtseinführung nicht vor dem Satz: „Die Präsidentschaftswahl war ein Sieg der Demokratie.”
Vor fünf Jahren hatte der damalige US-Vizepräsident Dick Cheney den Mann vom Stamm der Popalzai als die große Hoffnung für Afghanistan bezeichnet. Am Donnerstag machte Karsai bei einem für seine westlichen Verbündeten besonders wichtigen Thema deutlich, dass er der Vorhaltungen müde ist: Die Bekämpfung der Korruption nannte er erst an zweiter Stelle. US-Außenministerin Hillary Clinton, der deutsche Außenminister Guido Westerwelle, Frankreich und Großbritannien hatten in den letzten Tagen gewarnt, künftige Hilfe werde an effektives Regieren und an die Bekämpfung der Misswirtschaft geknüpft.
Just vor der Vereidigung hatte die US-Regierung ein besonders krasses Beispiel der Korruption genannt. Der Minister für Bergbau soll in Dubai von einem halbstaatlichen chinesischen Konsortium 20 Millionen US-Dollar kassiert haben, das den Zuschlag für eines der größten Kupfervorkommen der Welt in der Provinz Logar bei Kabul erhalten hatte.
Als erste Priorität nannte Karsai Afghanistans „Nationale Einheit”. Er forderte seinen unterlegenen stärksten Herausforderer, den früheren Außenminister Abdullah Abdullah, und seinen ehemaligen Finanzminister Ashraf Ghani auf, der Regierung beizutreten.
Karsai streckte den Talibanmilizen zudem erneut einen Olivenzweig der Versöhnung entgegen. „Alle Afghanen, die nicht zu internationalen Terror-Netzwerken gehören, sind willkommen”, erklärte der Präsident. Saudi-Arabien, das während der vergangenen Monate Sondierungsgespräche zwischen der afghanischen Regierung und Talibanvertretern abhielt, sei bereit, eine Nationale Jirga (Versammlung) zu finanzieren, an der auch Vertreter der radikal-islamischen Milizen teilnehmen dürften.
Die vielen Ankündigungen Karsais wurden freilich in Afghanistan mit einer ordentlichen Portion Skepsis aufgenommen. „Er hat vor fünf Jahren viel versprochen und nichts gemacht”, sagte am Donnerstag Ehsan Mohammed, ein Mitglied des 15-köpfigen Provinzrats in der südafghanischen Stadt Kandahar, „er verspricht wieder viel und wird auch die kommenden fünf Jahre nichts tun.”