Meran. Reinhold Messner wird von seinen Anhängern abgöttisch verehrt. Am Donnerstag (17. September) feiert die Kletter-Legende seinen 65. Geburtstag.

Als vor einiger Zeit am Ortler in Südtirol eine Herde tibetischer Rinder auf eine Hochweide getrieben wurde, ging ein älterer Herr mit mächtigem Haarschopf voran. Es ist ihr Besitzer, Reinhold Messner. Er hält einen Ast als Gehstock, wie ein Hirte. Hinter ihm folgen 100 Menschen. Der Almauftrieb ist wie eine Prozession. Oben gibt Messner, auf einem Stein sitzend, Autogramme. Die Pilger stehen Schlange. Als ein sehr alter Mann an der Reihe ist, berührt er fest mit allen zehn Fingern Messners Hand – wie beim Papst.

Am Donnerstag wird der „Bergsteigerpapst” 65 Jahre. Aber an Rente kann man bei Messner nicht denken. Seine Energie, seine Lust auf neue Herausforderungen, scheinen unstillbar zu sein.

Kein Mensch hat am Berg so bedeutende Pioniertaten vollbracht. So oft war Messner Erster: Auf dem höchsten Gipfel der Erde ohne Flaschensauerstoff (1978 mit Seilpartner Peter Habeler); auf allen 14 Achttausendern; als Überwinder der höchsten Eis- und Felswand (1970) – und im Alleingang auf dem Everest (1980). Vor dem Gipfel kämpfte er sich über eine Route, die nie zuvor ein Mensch betreten hatte.

Alle Triumphe gelangen ohne künstliche Luft. Messner wollte die Riesen „mit fairen Mitteln” oder gar nicht besteigen. Das zwang den Kletterer, der schon als junger Mann zur Weltspitze zählte, zu Kraft-, Willens- und Durchhalteausbrüchen, die jeden ambitionierten Laienbergsteiger zum Niederknien veranlassen könnten. „Wenn ich gehe, geht ein Tier. Wenn ich stehe, liegt ein Fels”, beschreibt er seinen Erschöpfungskampf kurz vor dem K2-Gipfel (8611 m). Im Ausgesetztsein, im absolut Lebensfeindlichen, war Messner in Bestform. Auch dann, wenn sein feiner Überlebensinstinkt ihn zum Umkehren drängte.

Großer Hang zur

Selbstvermarktung

„Eigentlich verfügt Messner über eine ordentliche, aber keinesfalls außergewöhnliche Physis”, schreibt sein Weggefährte Dr. Oswald Oelz im Fachmagazin „Alpin”. Mit seiner Sauerstoffaufnahme erreiche er „beim Marathon keine Spitzenwerte. Nur sein Antrieb aus dem zentralen Nervensystem sprengt die Normen”. Messner treibe „ein innerer Vulkan” an, der jederzeit auf ein Signal hin „Eruptionen freisetzt”.

Messner ist nicht unumstritten, wie alle Giganten. Sein Hang zur Selbstvermarktung, vor allem seine extrovertierte Medienpräsenz auch in billigen Shows wirken manchmal fast tragisch. Andererseits: Er redet mitunter zwar viel, ist aber stets ein fabelhafter Erklärer. Und kein Schwätzer. „Ich bin, was ich tue”, ist sein Motto. Wer quasi nebenbei Eis- und Sandwüsten zu Fuß durchquert, wer mehrere Bergmuseen aufbaut, wer 50 Bücher schreibt (obwohl nicht alle spannend), wer Hilfsprojekte im Himalaya betreibt, wer gegen die Zerstörung der Alpen kämpft, und wer jetzt, im Alter, neue Bergfilme dreht, der darf auch kräftig trommeln.

Ohne Netz und

doppelten Boden

Zurzeit wird unter Regie von Joseph Vilsmaier die Katastrophe 1970 am Nanga Parbat fürs Kino aufbereitet. Damals verlor Messner seinen Bruder in einer Lawine, ein Trauma, das ihn immer noch verfolgt.

Der in Bochum lebende Bergsteiger und Reisejournalist Uli Auffermann verfasste diesen Tribut für die WAZ: „Zweifelsfrei, Reinhold Messner ist der bedeutendste Bergsteiger aller Zeiten. Vor allem, weil er ein wahrhaftiger, ein ehrlicher Kletterer war ohne Netz und doppelten Boden, der die Grenzen des Machbaren verschob, ohne den Berg zu vergewaltigen. Dem Unbekannten, dem Unmöglichen ließ er stets die Existenz, und Einsichten ins Ich waren ihm immer wichtiger als das Erreichen des Gipfels. Die Werte des großen Abenteuer-Alpinismus sind die Wurzeln seines gesamten Lebensentwurfes: Freiheit, Herausforderung und Selbstverantwortung. Sie machten ihn zu einem der unabhängigsten, authentischsten Denker der Gegenwart.”