Bonn. Der Kanzlerbungalow von Erhard und Kiesinger, Schmidt und Kohl steht nun den Bürgern offen zur Besichtigung. Eine Zeitreise durch die Bonner Republik, durch "Schlafwagenabteile" und "Raumkleine".

Man muss wohl vom Fach sein, um diesen Bau zu würdigen, von Architekten hat er jedes denkbare Lob erhalten; aber ach, die Bewohner! Sie jammerten gern, da sind Kanzler auch nur Mieter: Kiesinger vermisste hier „die Behaglichkeit”, Schmidt sprach von den Wohnräumen als „Schlafwagenabteilen”, für die erwachsenen Söhne Kohls waren die Betten zu kurz, ihre Beine hingen über; und um 30 Jahre zurückzuspringen, da schrieb die Presse schon zum Einzug fröhlich: „Erhard wohnt wie ein Maulwurf!” Ludwig Erhard, der erste Kanzler im Kanzlerbungalow.

Es gab Häppchen und Erinnerungen

Den Bungalow und das Palais besichtigen

Der Kanzlerbungalow und der Park drumherum können ab Sonntag, 3. Mai, kostenlos besichtigt werden. Gruppen bis zu 20 Personen (auch Familien) müssen sich beim Besucherservice vom „Haus der Geschichte” einen Termin besorgen: 0228 9165 400 oder besucher@hdg.de.

Um das Palais Schaumburg zu besichtigen (Gruppen bis 40 Personen) oder eine Führung durchs Haus der Geschichte zu bekommen, wenden Sie sich bitte auch an diesen Service; dort ist die Besichtigung schon jetzt möglich.

Für Einzelpersonen gilt: Sie können sich Gruppen zuweisen lassen oder sonntags an turnusmäßigen Führungen teilnehmen: im Kanzlerbungalow ab dem 3. Mai sonntags um 14 Uhr, für das Palais Schaumburg ab sofort sonntags um 12 Uhr.

Die Dienstwohnung der Bonner Kanzler bis 1999 ist das, ein Flachbau im geschützten Garten des Palais Schaumburg. Er ist seit dieser Woche durchrenoviert, und seine Übergabe an die Öffentlichkeit wirkte ein bisschen wie der letzte Aufmarsch der Bonner Republik. Rudolf Seiters, Friedhelm Ost, Waldemar Schreckenberger, Manfred Schüler, falls die Namen Ihnen noch was sagen, waren gekommen zu dem kleinen Festakt.

Es gab Häppchen und Erinnerungen; und dass der Kanzlerbungalow jetzt unter der Regie eines historischen Museums steht, zeigt eigentlich deutlich, wie die Bonner Republik nun zügig in der Vergangenheit verschwindet.

"Palais Schaumbad"

1964 war das anders: Da war dieser Bau des bayrischen Stararchitekten Sep Ruf auf der einsamen Höhe der Zeit. Zwei versetzte Quadrate mit Innenhöfen, viel Glas, Klinkerwände. „Ein Symbol unserer Demokratie, er spiegelte das Selbstverständnis der Bundesrepublik”, sagt Kanzleramtsminister Thomas de Maizière heute. Transparent, modern, zivil, ohne Pomp: So wollte auch das neue Deutschland daherkommen. Man hat an diesem Gedanken so festgehalten, dass selbst die schusssichere Wand, die im Terrorjahr 1977 vor der Terrasse gebaut wurde – aus Glas war.

Ludwig Erhard also war der erste hier, und nicht viel anders als heute gab es eine erbitterte Debatte über die Baukosten. 2,3 Millionen Mark sollten es sein für bald 300 Quadratmeter Wohn- und Arbeitsfläche, das stand in der Bundesrepublik unter gestrengem Luxusverdacht, und Journalisten dachten sich lustige Diffamierungen aus wie „Ludwigslust” oder „Palais Schaumbad”. Schaumbad, welch ein Luxus! Das Wort bezog sich auf ein Poolchen im Innenhof, das mit sechs Schwimmzügen bestimmt durchmessen ist.

Die Räume klein, die Gänge eng

Überhaupt: So großzügig der Repräsentations-Trakt ist, der Wohnbereich ist das Wand gewordene Gegenteil. Die Räume klein, die Gänge eng und verwinkelt; die mächtige Gestalt des Kanzlers der Einheit kann man sich hier überhaupt nicht vorstellen, und nach zwei Richtungsänderungen weiß man auch nicht mehr zurück. Weiße Schränke, braune Fliesen, dunkle Stofftapete. Willy Brandt zog 1969 gar nicht erst ein, der blieb lieber in seiner vorherigen Außenminister-Dienstwohnung. Am Venusberg, versteht sich.

Dass „der Wohnteil von der Raumgröße, besser gesagt Raumkleine . . . her ungenügend ist”, schrieb selbst eine wohlwollende Kollegin dem Architekten Ruf. Der Brief ist Bestandteil einer kleinen Dauerausstellung hier. Man sieht da private Bilder von ganz normalen Fernsehabenden und Kaffeekränzchen bei Kanzlers, aber auch Bilder von Staatsgästen: Erhard empfängt die Queen, ja, schon dieselbe; Kiesinger gibt ein Essen für Richard „Tricky Dick” Nixon, Kohl spricht am Rhein hinter dem Bungalow mit Gorbatschow. Aus seiner Zeit stammt auch die ausgestellte Flasche „1981 Deidesheimer Paradiesgarten, Kabinett halb trocken”, was aber jetzt nichts zu tun hat mit etwaiger Trunksucht in der Ministerriege.

3000 Mark warm - zu viel für Helmut Kohl

Mit dem Umzug nach Berlin 1999 verliert der Kanzlerbungalow seine Aufgabe. Schröder war hier nicht mehr eingezogen, Kohls bleiben ein Jahr über die Amtszeit hinaus. Dann schreibt Hannelore Kohl an einen Herrn vom Kanzleramt: „Sehr geehrter Herr T., hiermit möchte ich Ihnen mitteilen, dass mein Mann und ich aus dem von uns bewohnten Bungalow des Bundeskanzleramtes in Bonn mit Wirkung zum 30. September 1999 ausziehen werden.” So kam es dann, und Helmut Kohl musste sich fortan nicht mehr beklagen über die Miete von 3000 Mark warm. Die fand er zu hoch. Da sind Kanzler auch nur Mieter.

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