Anna Netrebko und Rolando Villazón sind das Traumpaar Rodolfo und Mimi in Robert Dornhelms Verfilmung der Puccini-Oper „La Bohème“. Berückende Stimmen, Musik mit Glanz und Leidenschaft: Aber Oper bleibt Oper.

Selbst im Kino kriecht einem die Kälte in die Kleider: Vor dem Atelier der Pariser Bohème-Burschen weht im Mondlicht Rauch vorüber, drinnen wachsen Eisblumen. Aber der Dichter Rodolfo besingt den Frost so heißblütig wie eine feurige Geliebte – Rolando Villazón bekriegt die Kälte mit Pathos. So sprengt er den Pseudo-Realismus des akkurat nachgebauten Schauplatzes. Die Oper erzählt eben nicht nur die melodramatische Romantik ihres Librettos nach, in der Dornhelms Verfilmung hängen bleibt.

Puccini zielt tiefer: Eine schwärmerische Liebe zerbricht an der Härte eines ganz und gar nicht malerischen Lebens. Mimí, Rodolfo, Schaunard, Musetta: hungrige Arbeitslose, Schnorrer aus blanker Not, gierig nach Leben, doch ohne Perspektive. Dichter, Maler, Musiker und Philosoph dürfen sich nur einen Moment lang über Geld und Macht lustig machen: Ihr langer Arm zieht sie in der nebligen Schneelandschaft vor Paris unerbittlich ins Elend.

Auch wenn Dornhelm versucht, die gradlinige Erzählstruktur durch Schwarz-Weiß-Szenen, kalte Blaustiche und symbolhafte Ein- und Rückblenden zu brechen, bleibt seine „Bohème” ein Rührstück ohne Tiefe. Rodolfo zieht die schüchterne Stickerin am eiskalten Händchen gleich ins Bett. Dazu führt Dornhelm dezente Kuschelromantik vor. Mit Watterand. Richtig schön sentimental. Dass Mimí in ihrer kargen Kammer einen pikanten Plan ausbrütet, um einen der Bohemièns einzuwickeln, ist eine fragwürdige Interpretation. Dornhelm macht aus der Klosterschülerin ein raffiniertes Weibsbild, von der kapriziösen Musetta nur in der Wahl glamouröserer Mittel übertroffen.

La Bohème

Deutscher Kinostart: 23.10.2008

Regie: Robert Dornhelm

Darsteller: Anna Netrebko, Rolando Villazón u.a.

Trailer

Zwei Momente in dieser „Bohème” weisen über sich hinaus: Als die Kamera kurz vor Mimís Tod an einer Straßenfront entlang fährt, zieht ein geschlossener Laden für religiöse Artikel durchs Bild. Und als Nicole Cabell, die vorzügliche Sängerin der Musetta, ihrem Marcello einen liebevollen Blick schenkt, ist auf einen Schlag das Bild einer oberflächlichen Kokotte zerbrochen. Es gibt viel Liebe in dieser Welt, aber keine Hoffnung.

Immerhin hat Robert Dornhelm mit dem Fünf-Millionen-Einsatz erreicht, was er vor hatte: dem „Traumpaar“ Netrebko/Villazón ein Denkmal zu setzen. Anna und Rolando rücken in Großaufnahme ganz nah. Sie singen berückend. Ebenso Schaunard mit dem runden Bariton von Stéphane Degout, dargestellt von Adrian Eröd, und Marcello mit dem exquisiten Timbre von Boaz Daniel und der ausdrucksstarken Verkörperung durch George von Bergen.

Wer sich an den Stars erfreuen will, kommt auf seine Kosten. Wer Puccinis Musik mit Glanz und Leidenschaft hören will, auch. Symphonieorchester und Chor des Bayerischen Rundfunks unter Bertrand de Billy sorgen dafür. Wer hübschen Schauplatz-Luxus sucht, wird glücklich sein. Alle anderen gehen besser in die Oper.