Berlin. Nach polizeilichen Schätzungen gibt es in Deutschland Tag für Tag rund eine halbe Million Zugriffe auf Internet-Seiten mit kinderpornografischem Kern. Rund 25 Länder weltweit haben inzwischen virtuelle Stoppschilder für diese Angebote eingeführt. Deutschland wird künftig dazugehören.

Nach der für den Abend geplanten Entscheidung des Bundestages wird der Zugang zu Kinderpornoseiten künftig gesetzlich erschwert, die Abschreckung intensiviert. Große Internet-Anbieter erhalten demnach regelmäßig vom Bundeskriminalamt (BKA) aktualisierte Sperrlisten mit bis zu 1000 indizierten Seiten. Wer auf die entsprechenden Seiten geht, wird nach der Eingabe mit einem roten Stoppschild und ausführlichen Warnhinweisen konfrontiert.

Das Gesetz, das gegen teils harte Kritik von FDP, Linkspartei und Grünen mit der Mehrheit von Union und SPD verabschiedet werden sollte, wird zunächst drei Jahre lang erprobt. Einem vom Datenschutzbeauftragten des Bundestag geleiteten Gremium soll die Kontrolle der Sperrliste obliegen. So soll ein Missbrauch der schwarzen Listen ausgeschlossen werden.

130 000 Unterschriften gegen das Gesetz

Hintergrund: In skandinavischen Ländern sind des öfteren unbedenkliche Seiten der Filterfunktion zum Opfer gefallen. Pikant: Peter Schaar, der oberste Datenschützer des Landes, steht dem Vorhaben mehr als skeptisch gegenüber.

Anders als in den ursprünglichen Vorstellungen von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgesehen werden die Spuren, die Internetnutzer auf einschlägigen Kinderporno-Seiten hinterlassen, jedoch nicht an die Polizei weitergegeben.

"Zensursula"

Von der Leyen (CDU), Haupt-Initiatorin des Gesetzes, hatte für ihre Initiative viel Kritik einstecken müssen. Im Internet wurden binnen weniger Tage 130 000 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt. Eine Zugangssperre dürfe nicht zu einer Hintertür für eine Zensur des kompletten Internets werden, klagten Nutzer und bezeichneten die Ministerin als „Zensursula”. Andere Kritiker mutmaßten, dass demnächst weitere missliebige Inhalte per Gesetz aus dem Internet verbannt werden.

Fachlich gilt die mit den großen Internet-Providern vereinbarte Sperre als nur bedingt wirkungsvoll. Grund, so der wissenschaftliche Dienst des Bundestages: Sie kann technisch leicht umgangen werden. Zudem seien Erfahrungen in anderen Ländern, etwa Schweden, unterm Strich eher ernüchternd, sagen Experten. Obwohl dort die Zahl der Zugriffe auf kinderpornografische Inhalte im Netz durch solche Sperren gesenkt werden konnte, hat sich die Zahl der produzierten Kinderporno-Internetseiten seit Einführung des Systems im Jahr 2005 deutlich erhöht.

"80 Prozent sind Gelegenheitstäter"

Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes, sagt dagegen, 80 Prozent der Nutzer des schmutzigen Geschäfts mit sexueller Gewalt gegen Kinder seien Gelegenheitstäter und könnten sehr wohl mit einem Stopp-Schild abgeschreckt werden.

In der SPD gingen die Meinungen noch kurz vor der Abstimmung weit auseinander. Eine Gruppe um den hessischen Fraktionsvorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel riet von der Verabschiedung ab. Begründung: Die SPD mache sich damit für die „digitale Generation unwählbar”. Kerstin Griese (SPD), Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, betonte hingegen, es müsse das Prinzip „löschen vor sperren” gelten. Entscheidend sei, dass Kinderpornografie-Seiten umgehend vom Netz genommen werden. Griese. „Dazu müssen die Ermittlungsbehörden grenzübergreifend effizienter arbeiten.”

Kinderschutzbund, Deutsches Kinderhilfswerk und Unicef warnen davor, das sogenannte „Zugangserschwerungsgesetz” schon jetzt als wirkungslos zu bezeichnen. Zwar sei klar, dass Stoppschilder die sexuelle Ausbeutung von Kindern nicht verhindern könnten. „Aber sie erschweren die Verbreitung der Bilder und sensibilisieren die Öffentlichkeit für diese Verbrechen”, heißt es in einer Erklärung. Internetexperten seien aufgefordert, technische Lücken bei der Umgehung solcher Sperren zügig zu schließen.