Düsseldorf. Er hatte den Kampf gegen die Schulden aufgenommen, da kam die Krise dazwischen: Jetzt muss Finanzminister Helmut Linssen (CDU) fürchten, dass er zum Rekordschuldner wird. Neue Minus-Rekorde drohen. Der Niederrheiner bekennt: "Das treibt mir die Tränen in die Augen."

Die Finanzminister dieser Welt kennen seit Monaten nur ein Thema: die Krise. Ursachen, Schuldige, Konsequenzen: Mittlerweile scheint zwar alles dazu gesagt, sogar von jedem. Dennoch kommt auch der nordrhein-westfälische Kassenchef Helmut Linssen bei seinem Auftritt vor den Delegierten des NRW-Beamtenbundes nicht um eine Notlagen-Analyse herum. Der CDU-Politiker redet flüssig und schlüssig. Aber er belässt es weitgehend bei Allgemeinplätzen („Jetzt ist es wichtig zu wissen, was zu tun ist”) und erntet für seinen emotionsfreien Auftritt nur spärlichen Applaus.

Etwa zur Mitte seines Vortrags beweist der 56-Jährige, dass er auch anders kann. Zumindest ein bisschen. Als es um ihn selbst geht, um seine Arbeit, um die Mühsal seiner täglichen Rechnerei. „Im Moment komme ich mir vor Sisyphos”, sagt er. Helmut Linssen fühlt sich gestraft wie einst der Held der griechischen Mythologie.

Man kann es ihm nachfühlen. Seit seiner Ernennung zum NRW-Finanzminister vor vier Jahren kennt der selbst ernannte „eiserne Helmut”, der gerne schwimmt, joggt und Schafe züchtet, nur ein Ziel: die Pleite des Landes verhindern.

Der Christdemokrat war dabei durchaus auf einem guten Weg. Zwischen 2005 und 2008 sank die jährliche Neuverschuldung kontinuierlich auf 1,1 Milliarden. Und dann dies, kurz vor dem geradezu historischen Ziel eines ausgeglichenen Haushalts – die Krise, die alles zunichte macht. Helmut Linssen hatte von Überschüssen geträumt. Jetzt drohen stattdessen neue Minus-Rekorde. „Das treibt mir die Tränen in die Augen”, bekennt der Niederrheiner.

Die Düsseldorfer Opposition wittert ihre Chance. Jahrelang hatte Linssen in seinen damaligen Funktionen als CDU-Generalsekretär und Fraktionschef die seiner Meinung nach verheerende Schuldenpolitik der SPD-Landesregierungen angeprangert, die unter zeitweiliger Mithilfe der Grünen einen Schuldenberg von rund 115 Milliarden Euro aufgebaut hatten. Jetzt ist die Zeit der sozialdemokratischen Revanche gekommen.

„Ich weiß genau, wo man Schulden versteckt”, betont Gisela Walsken, Finanzexpertin der SPD-Landtagsfraktion. Für Linssen werde es angesichts der diversen Rettungsschirme und der zu erwartenden Steuerausfälle „sehr schwierig”, die alte 6,7-Milliarden-Höchstmarke zu halten. Dessen Mitarbeiter wiederum versichern, dass man alles daran setzen werde, die drohende Schlagzeile vom Rekordschuldner Linssen zu verhindern. „Und wenn wir nur um zwei Euro unter der Grenze bleiben”, sagte eine Linssen-Vertraute.

Der als gelernter Kaufmann auf Solidität bedachte Linssen wusste, worauf er sich nach langen Jahren der Oppositionsarbeit einließ, als er 2005 das Schulden-Verwaltungsministerium übernahm. Das Schlimmste verhindern: Allein darum geht es in Zeiten, in denen NRW mehr als zehn Prozent des 53-Milliarden-Haushalts nur für die Begleichung der Zinslast aufbringen muss. „Und trotzdem reden viele ausschließlich über Gegenwartskonsum”, klagt er.

Die Lage war und ist dermaßen desaströs, dass sich jeder Finanzminister bereits für einen verfassungsgemäßen Landeshaushalt feiern lässt. „Aber Linssen ist ernsthaft um eine echte Konsolidierung bemüht”, lobt der Sprecher des NRW-Steuerzahlerbundes, Heiner Cloesges. „Er ist ordentlich auf die Bremse getreten.”

Auch wenn es schwer fällt, sogar die SPD findet lobende Worte für den CDU-Mann. „Er hat es zwar versäumt, sich in den guten Jahren ein Polster anzulegen. Aber er hat viele Begehrlichkeiten aus den Ressorts abgewehrt”, urteilt Gisela Walsken. „Immerhin ist der Haushalt damit nicht vollends aus dem Lot geraten.”