Blick zurückDie ganz Alten wissen es noch: 1888 war das Drei-Kaiser-Jahr. Es starben nämlich innerhalb eines Jahres der uralte Kaiser Wilhelm I. und 99 Tage später auch sein Sohn, Kaiser Friedrich, der schon sterbenskrank den Thron bestiegen hatte. ...

... Der nächste Kaiser war dann auch schon der letzte: der unglückselige Wilhelm II.

Zunächst also Wilhelm I., König von Preußen und deutscher Kaiser. Er starb vor 120 Jahren, am 9. März 1888. In Versailles war er 1870 Kaiser geworden, wider Willen. Es war ja alles Bismarcks Werk gewesen. "Es ist schwer, unter Bismarck Kaiser zu sein", hatte der Alte noch so manches Mal geseufzt. Nicht nur das, auch zwei Attentate hatte der Kaiser überlebt. Und längst vergessen war, dass ihn die Revolutionäre von 48/49 als reaktionären "Kartätschenprinzen" geschmäht hatten. Als Denkmal seiner selbst wurde er im Alter geliebt und verehrt, wohl auch wegen seiner altmodisch schlichten Lebensweise, hart gegen sich selbst. Bis zu seinem 83. Jahr ritt er bei den Manövern noch beachtliche Strecken; nur rauf aufs Pferd kam er nicht mehr allein. Auch sonst traute er sich noch allerlei zu. Als ein Jahr vor seinem Tod ein neuer Krieg mit Frankreich als möglich galt, sagte er seinen verblüfften Generalen: "Ich werde selbst das Kommando führen - wie weit ich komme, weiß Gott allein."

Dazu kam es dann glücklicherweise nicht. Es kam aber ein harter Winter. Bei der Grundsteinlegung zum Bau des Nord-Ostsee-Kanals erkältete sich der Greis. Davon sollte er sich nicht mehr erholen. Er starb 13 Tage vor seinem 91. Geburtstag.

Wilhelms Tod offenbarte noch einmal seine Popularität. 200 000 Menschen nahmen Abschied an seinem Sarg und auch die Beisetzung am 16. März, einem eiskalten Tag, glich einer Massenkundgebung. Kaiserin Augusta aus dem Hause Sachsen-Weimar war nicht dabei. Seit langem war sie an den Rollstuhl gefesselt. Man fürchtete ihre Launen. Die Ehe galt als wenig glücklich. In jungen Jahre hatte sich der später so biedere Wilhelm anderweitig zu vergnügen gewusst.

Im Trauerzug fehlte auch der Nachfolger. Kaiser Friedrich, unheilbar erkrankt an Kehlkopfkrebs, sah den Leichenzug nur vom Fenster des Charlottenburger Schlosses aus. Umso gegenwärtiger war sein Sohn, des alten Wilhelms Enkel gleichen Namens. Der sehr Alte und der sehr Junge hatten sich gut verstanden. Sogar ein Urenkel war schon da. "Vier Generationen Könige lebend!", pries Wilhelm Gottes Gunst.

Umso mehr war das Verhältnis zwischen Vater und Sohn zerrüttet gewesen. Friedrich galt als "liberal". Es hieß, er stehe unter dem Einfluss seiner englischen Frau, der Tochter der Königin Victoria. Wilhelm konnte die Schwiegertochter nicht ausstehen, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Nur Bismarck hasste "die Englische" noch mehr. Und sie ihn. Friedrichs rascher Tod kam den preußischen Konservativen gelegen. Sie setzten auf den forschen Wilhelm zwo. Dass er sie in den Untergang führen würde, ahnten sie nicht.