Bochum. Für Zulieferer wäre in Bochum doch Platz gewesen. Bundeskanzlerin Angela Merkel findet einen Boykott angemessen. Politiker, Gewerkschafter und Unternehmer widersprechen den Argumenten des Konzerns.

Während im Bochumer Nokia-Werk die ersten Leiharbeiter ihre Kündigung erhalten haben, spitzt sich die Diskussion über die von Nokia genannten Motive zur Schließung des Werks zu. Politiker, Gewerkschafter und Unternehmer widersprechen den Argumenten des Konzerns.

30.000 Quadratmeter für Zulieferer

Nokia hätte in unmittelbarer Nähe zu seinem Werk Zulieferer auf einer Fläche von 30.000 Quadratmetern ansiedeln können. Das sagt Bochums Wirtschaftsdezernent Paul Aschenbrenner der WAZ. Er widerspricht damit der Aussage von Nokia-Deutschland-Chef Klaus Goll. Der hatte in „Bild” als Grund für die Schließung des Werkes genannt, Nokia habe in Bochum nicht die Möglichkeit besessen, Zulieferer auf dem Gelände anzusiedeln, „was unter anderem in Rumänien möglich ist”.

Nokia hatte offenbar falsch gerechnet

Im Fall der Subventionszahlungen des Landes an Nokia gerät der Konzern zunehmend unter Druck. Das Wirtschaftsministerium gab bekannt, die Prüfungen der Fördergeldzahlungen auszuweiten. Nun werde auch die Zahlung von 1998 über 23,8 Millionen Euro untersucht. Nach Informationen der WAZ wussten die Verantwortlichen im Ministerium möglicherweise seit längerem von Unregelmäßigkeiten.

Laut Prüfungsvorschriften müssen Empfänger von Subventionszahlungen drei Jahre nach Erhalt der Zahlungen berichten und noch einmal am Ende nachlegen. Nokia hatte zwar über die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze berichtet, darin aber offenbar auch Zeitarbeitsplätze eingerechnet. Das ist jedoch nicht erlaubt.

Landesregierung in der Kritik

Allerdings steht auch die Landesregierung selbst im Blickpunkt – wegen der Zahlungen und ihrer Prüfungspraxis. Zwar gibt es im landeseigenen Förderinstitut NRW-Bank eine Prüfstelle für Subventionen. Nach Aussage eines Sprechers des Wirtschaftsministeriums geben dort geförderte Unternehmen wie Nokia aber nur Berichte ab, die nicht kontrolliert werden. „Wir gehen immer davon aus, dass der Zuwendungsempfänger ehrlich ist, wenn nicht, hat er ein Problem.”

Merkel steht zu Boykott-Aufrufen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangte von Nokia, die Motive für die Schließung offenzulegen. Über ihren Regierungssprecher äußerte sie Verständnis für Boykott-Aufrufe, etwa aus dem Kreis der Bochumer Beschäftigten. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) sprach im Zusammenhang mit der Vorgehensweise Nokias von „Karawanen-Kapitalismus”.

Gewerkschaft kämpft für den Standort

Die IG Metall will mit Nokia noch nicht über einen Sozialplan für die betroffenen Beschäftigten verhandeln. Stattdessen hat die Gewerkschaft bei Unternehmensberatern ein Konzept zum Erhalt des Standorts in Auftrag gegeben. „Wir werden bis zur letzten Patrone um den Erhalt der Arbeitsplätze kämpfen”, sagte Oliver Burkhard, der neue NRW-Chef der IG Metall. Sollte Nokia sich nicht von seinen Plänen abbringen lassen, werde die Gewerkschaft dafür sorgen, dass es „die teuerste Werksschließung wird, die NRW je erlebt hat.”

Unternehmer auf Seiten der Belegschaft

Der Fall Nokia führt auch zu Protesten bei Unternehmern. Auf der Hauptversammlung von Thyssen-Krupp in Bochum sagte der erste Redner der Anteilseigner, Bernd Günther: „Hier wird ein rentables Werk geschlossen, dies ist die hässliche Art des Kapitalismus, wie wir sie nicht wollen.” Günther appellierte unter dem Beifall von tausenden Aktionären „an alle Aktionäre und die Belegschaft, Nokia zu boykottieren und den Ministerpräsidenten zu unterstützen.”

Auch Mittelständler zeigen sich empört. Der Vorsitzende des NRW-Handwerkskammertages, Schulhoff, nannte die Schließung eines profitablen Werkes „ein Stück aus dem Tollhaus”. Ein Unternehmen, das Subventionen erhalten habe, unterliege „einer moralischen Verpflichtung dem Land gegenüber”. Schulhoff: „Da sollten die Verbraucher ein Machtwort mitreden.”

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Kommentar: "Auf den Prüfstand"

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