Rom/Duisburg. Italiens Antimafia-Ausschuss greift in seinem 237 Seiten langen Jahresreport zu Kalabriens Mafia 'Ndrangheta' die deutschen Behörden an. Sie hätten die Warnungen aus Italien ignoriert. Hinweise auf „Da Bruno” hätten vorgelegen.

Palazzo San Macuto in Rom, ein Gebäudekomplex früherer Jahrhunderte. Da war mal ein Kloster. Aber auch der päpstliche Inquisitionshof, der über Hexen und Häretiker befand, fällte einst in einem der Säle mit dunklen Holzbänken seine gefürchteten Urteile. Heute tagen Parlamentskommissionen in dem Palazzo. An diesem Mittwoch stellt der parlamentarische Antimafia-Ausschuss seinen 237 Seiten langen Jahresreport zu Kalabriens Mafia 'Ndrangheta vor. Er bezieht ausführlich Stellung zum Mafiamassaker mit sechs Toten am 15. August 2007 in Duisburg. Und da sitzt in dieser Aula im fünften Stock auch die Bundesrepublik auf der Anklagebank.

"Gut bekannt, auch wegen Amtshilfe-Ersuchen”

Mitglieder des Anti-Mafia-Ausschusses am Tatort vor dem ehemaligen Restaurant Da Bruno an der Mülheimer Straße in Duisburg (Foto: WAZ, Stephan Eickershoff)
Mitglieder des Anti-Mafia-Ausschusses am Tatort vor dem ehemaligen Restaurant Da Bruno an der Mülheimer Straße in Duisburg (Foto: WAZ, Stephan Eickershoff) © WAZ

Es sei Deutschland, das Warnungen aus Italien in den Wind geschlagen habe. Das Deutschland, das keine mafia-gerechten Gesetze habe und deshalb die Bosse umso mehr anziehe. „Gut bekannt, auch wegen Amtshilfe-Ersuchen durch die italienische Justiz und Polizei”, sei deutschen Behörden das Treiben von Kalabriens Mafia gewesen – und das schon seit den 70er Jahren, heißt es vorwurfsvoll. Daher habe es für den Sechsfachmord „seit langem Warnzeichen” gegeben: „Jenes Massaker zeigt tragisch an, wie sehr deutsche Behörden die 'Ndrangheta unterschätzt haben.” Allerlei Namen von Mafiaclans, die in Deutschland agieren, werden aufgezählt. Die der Clans aus San Luca, die im Ruhrgebiet ihren Blutsfehde-Krieg weiterführten, sind die bekanntesten.

Vor der italienischen Pizzeria „Da Bruno” in Duisburg schlugen sie zu. Alle Opfer seien „auf unterschiedliche Art” mit dem Clan Pelle-Vottari in Verbindung gewesen. In Duisburg habe sich so eine explosive Vereinigung aus „Rache und Millionengeschäften, eine Mischung aus Stammesfehde und gezielter mafiöser Modernität” entladen. Und dann wird der Antimafia-Ausschuss genauer: Schon 2001 hätten Karabinieri deutschen Behörden mitgeteilt, dass das Restaurant „Da Bruno” hinter dem Hauptbahnhof ein Ort der Geldwäsche sei.

Schulterzucken in Deutschland

Vertreter der vielen denkbaren, allerdings nicht näher benannten „deutschen Behörden” reagieren am Mittwoch mit weitestgehendem Schulterzucken auf diesen, den einzigen konkreten Vorwurf. „Mir sagt das nichts”, so Achim Blättermann, der Sprecher der Duisburger Polizei: „Und wenn, waren Hinweise nicht so konkret, dass ein Verfahren möglich gewesen wäre.”

Das ehemalige Restaurant
Das ehemalige Restaurant "Da Bruno" (Foto: WAZ, Andreas Mangen) © waz

Schon kurz nach dem Sechsfachmord war in Deutschland eine Debatte entflammt über mögliche Polizeipannen, doch blieb davon wenig. So hatte ein italienischer Bericht über 'Ndrangheta-Umtriebe in Duisburg, der sechs Wochen vor den Morden beim BKA eintraf, „keine Hinweise auf ein geplantes Tötungsdelikt enthalten”, so am Mittwoch das Bundeskriminalamt – bei dem im übrigen im Dezember 2007 eine deutsch-italienische Einsatzgruppe gegen die Mafia eingerichtet wurde. Auch die nordrhein-westfälische Polizei habe „keine Hinweise auf die bevorstehenden Morde gehabt”, bekräftigte ein Sprecher des Innenministeriums. Man müsse den Bericht aus Italien abwarten, um ihn beurteilen zu können.

"Kaum Überwachung der Geldwäsche"

Nichts habe Deutschland im Vorfeld unternommen, so der römische Ausschuss gestern, habe eher zu verstehen gegeben, dass 'Nrangheta nicht seine Angelegenheit sei. 'Ndrangheta sei „wie El Kaida”, wie eine Terrorganisationen; Kalabriens Mafia sei die gefährlichste Europas, federführend im Drogenhandel. Und gerade Deutschland fehlten Gesetze der Antimafia-Bekämpfung, heißt es im Report weiter: Es gebe kaum Überwachung von Geldwäsche, Beschlagnahme illegaler Vermögen sei erst nach Prozessausgang möglich.

Warum ist Kalabriens Mafia in Deutschland aktiv? Francesco Forgione, Präsident der Anti-Mafia-Kommission: „Weil dort über Jahrzehnte tausende Kalabresen zugewandert sind. Erst kommen sie, dann die Gelder, aber leider auch die Mafiosi”. Wurde aus Duisburg gelernt? Forgione: „ Oh ja, jetzt arbeitet die deutsche Polizei gut mit uns zusammen”.