Was ist ein Wunder? Ein Ereignis, das so außergewöhnlich ist, dass es nach allem Wissen und aller Erfahrung des Menschen niemals hätte eintreten können?

Liegt der reine Zufall zu Grunde, eine mathematisch-statistische Wahrscheinlichkeit, und sei sie noch so klein? Gibt es das „Schicksal” als anonym wirkende Macht? Oder ist es das Werk Gottes, das Wunder einschließt?

Die Grube Lengede-Broistedt lag in der Nähe von Salzgitter, ist nun lange geschlossen, förderte Eisenerz, war eher unbedeutend. Trotzdem hat sie Weltruhm erlangt.

Es war der 24. Oktober 1963, abends gegen 20 Uhr: Ohne jedes Vorzeichen bricht ein Klärteich des Schachtes Mathilde ein, eine halbe Million Kubikmeter Schlamm und Wasser stürzt in die Tiefe und droht alle 129 Mann dort unten einzuschließen.

Das Schlammgemisch überflutet die Stollen zwischen den 60- und 100-Meter-Sohlen, 79 Männer können sich über Wetterbohrlöcher und Schächte retten, aber 29 schaffen das nicht. Doch was ist mit den anderen, die noch immer unten sind?

Fieberhaft arbeiten die Retter, 24 Stunden danach kommen sieben weitere Überlebende frei. Ein Wettlauf gegen die Ungewissheit. Endlich, Anfang November, sind noch drei Kumpel geborgen. Dann wird das technische Gerät abgebaut – die Chance, noch Lebende zu finden, sie scheint gleich null.

Doch ein Hauer rät energisch, man möge doch noch eine Suchbohrung starten. In einem eigentlich verlassenen Stollen „Alter Mann” könnten noch Überlebende sein.

Man zweifelt, doch bohrt – und das Wunder beginnt: Weil es kaum Aufzeichnungen über den Stollen gibt, bohrt man fast „blind”. Weil der Bohrpunkt zwischen Gleisen liegt, bohrt man zwei Meter entfernt. Und statt senkrecht verläuft die Bohrung etwas schräg. Und es sind diese beiden Meter und die Schräge, die den Bohrkopf auf die Höhle von Eingeschlossenen treffen lassen.

Klopfzeichen! Man lässt Trinken, Essen durch das dünne Rohr hinab. Das Bergungsgerät wird zurückbeordert. Auch die „Dahlbusch-Bombe” eine enge Kapsel, die erstmals auf der Gelsenkirchener Zeche Dahlbusch benutzt worden ist. Ein Mann kann sich da hineinquetschen – und so wird einer nach dem anderen nach oben geholt. Am 7. November, zwei Wochen nach dem Wassereinbruch, sind die letzten elf Totgeglaubten lebend geborgen.