Reitz-Thema zur Sterbehilfe: Publikum wie Experten fordern Mitgefühl für die Patienten ein

Essen. „Wie beurteilt man die Lebensqualität eines Dementen?” Das Auditorium wird bei der Frage von Dr. Martin Gregor noch stiller als es während der spannenden Diskussion bereits war. „Man kann so etwas wie Schmerz auch bei Demenzkranken erfassen”, erläutert Dr. Marianne Kloke, Oberärztin am Zentrum für Palliativmedizin in den Kliniken Essen-Mitte. Nachweisbar sei aber, dass Demente weniger Schmerzmittel als andere Patienten benötigten.

„Ich fühle mich als betroffene Angehörige nicht ernst genommen”, sagt Heidelinde Böhme. Sie schildert mit tränenerstickter Stimme den Fall ihres krebskranken Ehemanns. „Ich habe als Altenpflegerin viele Menschen beim Sterben begleitet, aber bei Angehörigen hört die Professionalität auf.” Sie wünscht sich mehr Einfühlungsvermögen bei Ärzten und Pflegepersonal. „Die Patienten und ihre Angehörigen müssen im Mittelpunkt stehen”, betont Prof. Gerald Holtmann vom Klinikum Essen. Im Publikum, das sehr konzentriert zuhört, regt sich Tumult: „Das ist doch Wunschdenken."

"Die Angehörgien werden immer stärker belastet"

Birgit Mehring bildet Krankenschwestern in Palliativmedizin aus, sie nutzte das Reitz-Thema, um sich und ihre Mitarbeiter fortzubilden. Ihr Problem: „Die Angehörigen werden immer stärker belastet. Die Patienten ertragen das Wort Hospiz nicht. Was kann man da tun?” Ulrich Reitz antwortete selbst auf diese Frage: Das Thema öffentlich machen, das Sterben enttabuisieren. „Es gibt eine Sperre in den Köpfen der Pfleger. Der Patient kann keine Schmerzen haben, weil er Medikamente bekommt. Die Pflegekräfte brauchen Zeit und Freude an der Arbeit mit dem Patienten”, sagte Günter Simon, Ausbilder für Pflegefachkräfte.

Sterbehilfe, selbstbestimmtes Sterben, Dignitas. Diese Begriffe kommen auf zum Abschluss der Diskussion. „Als Mediziner müssen wir gegen das angehen, was den Wunsch zu sterben aufkommen lässt”, sagt Prof. Gerald Holtmann. „Gute Palliativmedizin, Pflege, Seelsorge und Ehrenamt machen Dignitas überflüssig”, erklärt Sylvia Schager, Pflegedienstleiterin Hospiz Essen-Steele. „Sterben darf Angst machen. Wir müssen den Menschen in dieser Angst begleiten”, sagt Dr. Marianne Kloke.

Mehr zum Thema: Morphium und Menschlichkeit