Moers. Am Schlosstheater Moers wurde das „Paulus”-Projekt von Ulrich Greb uraufgeführt

Auf der Suche nach einem (vorläufigen) Schlusspunkt für das Saison-Thema Armut, die mit irdischen Mitteln nicht zu besiegen scheint, ist das Schlosstheater auf eine himmlische Utopie gestoßen. Es hat sich an die Bibel gemacht. Und es wagt sich an den Apostel, der die revolutionäre Botschaft verkündete: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.”

Bei der Uraufführung von „Paulus” begegnete das Publikum allerdings keiner Lichtgestalt, sondern einem Mann, dessen Wandlung vom unbarmherzigen Christenverfolger Saulus zum leidenschaftlichen Verkünder des Christentums Paulus erst am Ende des Stücks geschieht. Intendant Ulrich Greb macht es in seiner Inszenierung dem Publikum wieder einmal nicht einfach:

Er erzählt keine Geschichte, setzt viel Vorwissen voraus, und unter den fünf Schauspielern – drei Männer und zwei Frauen – ist keiner als „der” Paulus erkennbar. Alle sprechen die Worte, wie sie aus den Korintherbriefen überliefert sind. Vor allem diese Texte des Neuen Testaments liefern den Ausgangspunkt für die manchmal starken, gelegentlich rätselhaften Bilder, die assoziativ auf der Bühne (Birgit Angele) entstehen. Elf Tonnen weißer Marmorkies bilden eine Steinwüste, aus der zarte Staubschleier aufsteigen, die zugleich die Geräusche liefert, aus denen Dorothee Hahne eine leise rauschende Klangkulisse komponiert. Zwölf nebeneinander gereihte Zellen mit Telefonen sind die einzigen Aufbauten.

Zwölf Apostel sind Jesus gefolgt, Paulus, der 13., hat Jesus nicht kennen gelernt. Ihm ist er als Vision erschienen. Begierig nehmen die Menschen auf, was Paulus sagt. Aus dem anfänglich aufgeregten Gewirr der fünf Stimmen schälen sich Botschaften heraus. Alle leben als gleichwertige Glieder am Leib Christi. Die Freiheit löst das (jüdische) Gesetz ab. Und: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.” – Das Urchristentum, dessen Ideen vielfach kopiert wurden von späteren Gesellschaftsmodellen.

Doch ach, es ist mühsam zu verkünden, es sind so viele drängende Fragen zu beantworten, und die Menschen sind halt keine Engel. Da mag Paulus noch so vor Zwietracht warnen, bald wird gestritten. Solchermaßen durch die eigenen Leute, aber auch durch die Feinde und die Gefahren der Reisen bedrängt, sagt Paulus Sätze wie „Verstoßt den Bösen aus eurer Gemeinde.” Als ein doppelgesichtiger Engel erscheint und mit dem Schwert das Jüngste Gericht predigt, schreit Paulus seine „Kinder des Lichts” an: „Das ist kein Wunder!” Aus dem Hoffen auf die schnelle Errettung wird Warten. Ein sehr, sehr langes. Tel. 02841/201731